: 1001 Erzählungen
■ In der Pankower »LiteraturWERKstatt« begann am Freitag die Reihe »Texten auf der Spur — Scheherazade nach dem Golfkrieg«
Hoyerwerda und die Folgen lassen auch die Märchenerzählerin aus 1001 Nacht nicht in Ruhe. Zum freitäglichen Auftaktfest, das die Lesereihe »Texten auf der Spur — Scheherazade nach dem Golfkrieg« in der Pankower »LiteraturWERKstatt« einläuten sollte, hatten sich einige der geladenen ausländischen Frauen nicht zu kommen getraut. »Die Presse zeichnet ein Bild, als ob hier Babel und nicht Ost-Berlin sei«, bedauerten Brigitte Struzyk und Anja Tuckermann, Initiatorinnen dieser Reihe, die Absagen.
Doch auch so wurde das Fest zur wilden Mischung der Kulturen. In plüschigen Sofaecken vor pseudomodernen Schrankwänden, in denen einstmals der DDR-Schriftstellerclub geklüngelt hatte, saßen unter anderem eine türkische Familie, eine westdeutsche Ingeborg-Bachmann- Preisträgerin, eine iranische Exilautorin, eine schreibende Psychosenanalytikerin aus Ost-Berlin, eine Philosophin mit Hut und rosa Schärpe, wie aus Tschechows Kirschgarten entsprungen, und ein bildender Künstler mit Pferdeschwanz und fröhlichem Kindergesicht zusammen. Letzterer, Rainer Zapka mit Namen, hatte offenbar die Taschen aller verfügbaren Kinder ausgeleert und aus den herausfallenden Schrauben, Nägeln, Lämpchen, Filmrollen eine wunderbar klingende, ratternde, blinkende »Literaturmaschine« zusammengebaut. Nicht minder gelungen war sein »Mausoleum«, ein kleiner Holzschrein mit allerlei vergänglichen FDJ-Devotionalien und einer ausgestopften Maus, oder ein anderer Schrein auf einer schiefen Säule und einem engelüberflatterten Stapel Kuhfladen. Auf der Frankfurter Buchmesse hatte Zapka eigentlich noch eine weitere Literaturmaschine auf der Buchmesse präsentieren wollen: einen speziell für die Bücher des Ex-DDR-Schriftsteller-Verbandspräsidenten Hermann Kant entwickelten Fleischwolf. Doch »den wollte der Aufbau-Verlag dann doch nicht haben«, griente er.
Vielleicht aber hat ein anderer Verlag schon in der Mangel, was aus der Reihe »Texten auf der Spur« am Ende werden soll: ein Buch, in dem, wie bei 1001 Nacht, eine Geschichte sich in die andere schlingt. Unter dem Eindruck des Golfkriegs und in Anlehnung an die Ideen der »Frauenaktion Scheherazade« hatte die Ostberliner Autorin Brigitte Struzyk schon im März das erste Mal dazu aufgerufen, nach dem Motto »Die Waffen schweigen — wir erzählen« die Tradition der um ihr Leben erzählenden Scheherazade wieder aufzunehmen, ein weiterer Aufruf erschien später in der Ostberliner Frauenzeitschrift 'Y‘. Die Ergebnisse sollen jetzt vorgestellt werden. Den Anfang machten vorgestern Birgit Vanderbeke, die für ihre Erzählung Das Muschelessen im letzten Jahr den Ingeborg-Bachmann-Preis erhalten hatte, und die iranische Kunstkritikerin und Schriftstellerin Fahimeh Farsaie. usche
Die Serie wird am 26. Oktober mit der jugoslawischen Lyrikerin Emina Kamber und der grünen Europa-Abgeordneten Eva Quistorp fortgesetzt. Am 9. November wird Beate Klarsfeldt und am 19. November Christa Wolf auftreten.
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