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Atommacht Kroatien?

■ Serben legitimieren ihr militärisches Vorgehen mit wüsten Gerüchten über eine kroatische Atombombe

„Besitzt Kroatien die Atombombe?“ Mit dieser Schlagzeile machte am Samstag die Belgrader Zeitung 'Borba‘ auf. Und jedes serbische Blatt, das was auf sich hält, strickte diese Spekulation am Montag mit weiteren „Enthüllungen“ fort. Grundtenor: Unter serbischen Wissenschaftlern und Politikern gehe die Angst um, Kroatien könne Atomwaffen herstellen. Man habe Hinweise, daß die technischen und wissenschaftlichen Voraussetzungen im nuklearen Forschungszentrum Nikola Tesla in Zagreb dazu vorhanden seien. Da werde an einer taktischen Bombe gebastelt, mit der örtlich begrenzte Atomschläge möglich sein sollen.

Die Geschichte ist nicht neu. Auch geht sie nicht über die bereits 1986 von dem kroatischen Atomphysiker Rudi Supek vorgebrachte Vermutung hinaus, daß der einzige jugoslawische Atommeiler Krsko bei Zagreb nur aus militärischen Gründen in Betrieb genommen wurde. Sogar von offizieller Seite wurde eingeräumt, daß der 1981 von der US-Firma Westinghouse fertiggestellte 400-Megawatt- Reaktor für die heimische Stromversorgung unrentabel sei.

In den 70er Jahren hatte der damalige Staats- und Parteichef Tito des öfteren erklärt, auch Jugoslawien dürfe sich der modernsten Technologie nicht verschließen und müsse den Anschluß ans Atomzeitalter finden. Dahinter, so erklärte der Atomphysiker Supek, habe die Absicht gesteckt, in Zukunft eigene Atomwaffen zu produzieren. Als Gründer der Blockfreienbewegung wollte Jugoslawien Macht demonstrieren. Seit seinem Bruch mit Stalin 1948 träumte Tito von einem „dritten Weg“ zum Sozialismus. Bereits zu dieser Zeit nahmen die Pläne einer eigenen Atombombe Formen an.

Solcherlei Spekulationen werden heute auf Kroatien umgemünzt. Es hätte in Zagreb schon immer „geheime faschistische Zirkel“ gegeben, so die Belgrader 'Politka‘, die Krsko für ihre militärischen Pläne umfunktionieren wollten. Mit der „Machtergreifung“ des „faschistischen Regimes“ von Präsident Tudjman beeile sich Kroatien, die früheren Pläne zu verwirklichen. Kroatische Medien weisen die Enthüllungen als „üble Kriegspropaganda“ zurück und ziehen mit ihrer eigenen Propaganda nach: In den letzten Tagen habe die jugoslawische „Okkupationsarmee“ Phospor- und Napalmbomben im ostslawonischen Vukovar eingesetzt. Roland Hofwiler

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