: Gebührenwucher bei Flüchtlingen
■ Bayern verlangt von Flüchtlingen horrende Benutzungsgebühren für Sammelunterkünfte
Nürnberg (taz) — Eine Benutzungsgebühr von 270 DM monatlich pro Person für einen 13,4 Quadratmeter großen Raum in einem Container will der Freistaat Bayern von arbeitenden Flüchtlingen abkassieren. Ist in dem Raum eine Familie mit einem Kind von über zwei Jahren untergebracht, bedeutet das einen Mietpreis pro Quadratmeter von 46,41 DM. Die bayerischen Wohlfahrtsverbände überlegen, wie sie gegen die am 1.Oktober in Kraft getretene Verordnung vorgehen wollen.
Nur in Bayern und Baden-Württemberg war bislang die Unterbringung in Sammelunterkünften vorgeschrieben. Mit der am 22.August vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit, Familie und Sozialordnung beschlossenen „Verordnung über Benutzungsgebühren für Gemeinschaftsunterkünfte ausländischer Flüchtlinge (GuGebV)“ will Bayern neue Maßstäbe setzen. Für die immer häufiger anzutreffenden Containersiedlungen für Flüchtlinge sind demnach für die jeweils 13,4 Quadratmeter großen „Wohnungen“ pro Erwachsener 270 DM und pro Kind zwischen zwei und 18 Jahren 81 DM fällig. Die jeweiligen Bezirksregierungen sollen die Gebühren über die Hausmeister eintreiben. Ein arbeitender Asylbewerber muß also, wohnt er mit Frau und Kind in dem Containerraum, 621 DM Benutzungsgebühr berappen. Umgerechnet auf eine 60 Quadratmeter große Wohnung entspräche das einer Miete von knapp 2.800 DM.
Hansjörg Ospel, zuständig bei der Caritas in Nürnberg für Asylbewerber, war von der neuen GuGebV völlig überrascht. Erst zwei Tage vor Inkrafttreten wurden die Wohlfahrtsverbände informiert, die bei den in den Sammelunterkünften tätigen Sozialarbeitern und Asylberatern auf große Empörung gestoßen ist. „So werden die Leute in die Schwarzarbeit getrieben“, befürchten sie. Die Motivation der Flüchtlinge, eine Arbeit aufzunehmen, gehe damit gegen Null. Die Caritas ist sich auch nach einem Treffen ihrer Asylberater noch nicht schlüssig, welche Stellung sie zur GuGebV beziehen wird. „Eine entsprechende Reaktion wird sicherlich kommen“, verspricht Hansjörg Ospel. bs
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