: Standard elegant bezwungen
■ Norweger siegten bei der Tanz-WM / Italiener und Deutsche mit auf dem Podest
Mit Schweißperlchen auf der Stirn und Saftflasche in der Hand läuft der italienische Trainer zwischen den Tischreihen der Ehrengäste hin und her. Sein Paar, Augusto Schiavo und Caterina Arzenton, hat gerade einen zackigen Tango auf's Parkett gelegt. Mindestens so sehenswert wie die Figuren war dabei Augustos Mimik: sein Ehrgeiz hat etwas Aggressives, so schaut er seine Partnerin an, sieht über sie hinweg, wird ungeduldig, als ihre Kopfbewegung einmal nicht harmonisch genug gegen die seine läuft. Manchmal, wenn seine Führung offenbar besonders gut geklappt hat, schneidet er Grimassen ins Publikum — sind sie nun fröhlich oder eher triumphierend? Beides ist möglich. Ob er die Erfolgsaussichten schwinden sieht? Warum sonst läßt er nach dem Tanz seine Partnerin los wie eine heiße Kartoffel? Der Trainer sucht den Blickkontakt, will Augusto die Saftflasche reichen. Caterina dagegen sucht nach dem Trainer, wird geflissentlich übersehen. Ein kleiner Wettbewerb um die Gunst des Trainers, so scheint es. Zwei Stunden später werden die beiden als neue Vizeweltmeister im Standardtanz an der Siegerehrung teilnehmen: strahlend, harmonisch, abgekämpft.
Dicht an die Zuschauertribüne gerückt stehen unterdessen die Siegertreppchen bereit. Freunde und Verwandte der Paare haben sie einstweilen erklommen, um von hier aus einen besseren Blick auf die Tanzfläche zu haben. Doch noch schweben, springen und schubsen sich die Paare wie eine Welle von Tüll und Taft über's Parkett — bis die Wettkampfrichter um 21.30 Uhr endlich die TeilnehmerInnen am Semifinale dieser WM aus fast 60 Zweierteams aus 31 Nationen herausgefiltert haben.
16 haben es geschafft, darunter die beiden deutschen Paare Asis und Iran Khadjeh-Nouri und Thomas Derner mit Henriette Wagner. Von den Zuschauertribünen in der Stadthalle jubeln die Fans herunter, schwenken die Fähnchen. Doch auch die Freunde des Norwegischen Paares Kim Rygel und Cecilie Brinck, die als Favoriten dieser WM gehandelt werden, rollen die Nationalflagge aus, als „ihre“ Startnummer 33 genannt wird.
Kaum anderthalb Stunden später stehen die beiden tatsächlich ganz oben auf dem Siegerpodest. Weltmeister in den Standardtänzen 1991. Unschlagbar im Slowfox, so elegant wiegt Cecilie sich in Kim's Umarmung; kaum weniger erfolgreich im Wiener Walzer. Die Wertungsrichter sind fast einig. Da hängt keine Schulter, sitzt jede Drehung. Perfekt auch in Tango und Quickstep. So rücken die beiden 23jährigen Norweger nach, wo ihre Landsleute Lasse Ödegaard und Laila Krageböl Platz machten, nachdem sie ins Profilager wechselten. Das Geheimnis für den Erfolg der Skandinavier? — Wahrscheinlich liege es in der tänzerischen Erziehung von klein auf, in den Kindertanzclubs, mutmaßen die Sieger in der Pressekonferenz um Mitternacht. Er habe dort schon oft Talente einkassieren wollen, bekennt der deutsche Bundestrainer.
Doch auch seine Crew darf sich freuen. Denn dritte werden die Geschwister Iran und Asis Khadjeh-Nouri, über die es im Programmheft heißt, daß der „persische Name darüber hinwegtäuscht, daß die beiden geborene und waschechte Hamburger“ und amtierende Deutsche Meister sind. ra
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