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Stasi: Abgeordnete werden jetzt überprüft

■ Die Fraktionen des Abgeordnetenhauses einigten sich auf ein Verfahren/ Neben dem Ehrenrat wird auch ein Untersuchungsausschuß eingerichtet

Berlin. Wenn das Abgeordnetenhaus am Donnerstag zu seiner Plenarsitzung zusammentritt, kann es endlich das Verfahren des Ehrenrates und die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Überprüfung der Stasi-Kontakte von Abgeordneten beschließen. Gestern stimmte der Fraktionsvorstand der CDU der von der Opposition vorgeschlagenen Besetzung des Untersuchungsausschusses zu. Damit ist nach monatelangen Verhandlungen der letzte Streitpunkt zwischen den Fraktionen aus dem Weg geräumt. Der Untersuchungsausschuß wird nun aus je zwei VertreterInnen der Regierungsparteien und je einer Vertreterin oder einem Vertreter von Grüne/Bündnis 90, FDP und PDS bestehen. Die Gruppe Neues Forum wird eine beratende Stimme erhalten. Laut Geschäftsordnung wären in dem siebenköpfigen Gremium nur CDU und SPD als die beiden stärksten Fraktionen vertreten. Nach dem neuen Verfahren werden dem Ehrenrat nicht nur die Ergebnisse der Überprüfung durch die Gauck-Behörde vorgelegt, sondern auch die von Dritten vorgebrachten belastenden Tatsachen. Sofern die Überprüfung ergibt, daß ein Abgeordneter für die Stasi tätig war, wird dieses Ergebnis der Öffentlichkeit mitgeteilt. Voraussetzung für diesen Schritt ist, daß der Ehrenrat die zugrundeliegenden Erkenntnisse als »nicht unbedenklich« einstuft. Die Entscheidung über die Unbedenklichkeit fällt das Gremium mit einer Zweidrittelmehrheit. Wenn diese Mehrheit nicht zustande kommt, oder sich »tatsachengestützte Anhaltspunkte« für eine Stasi- Tätigkeit ergeben, kommt der Fall vor den Untersuchungsausschuß. Das Einsetzen dieses Gremiums war zunächst von den Regierungsfraktionen abgelehnt worden.

Die Vorsitzende des Ehrenrates, Parlamentspräsidentin Hanna-Renate Laurien, rechnet damit, daß der Rat noch in dieser Woche zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentritt. Bislang liegen jedoch lediglich von der PDS-Fraktion Überprüfungsergebnisse der Gauck-Behörde vor.

Unterdessen treffen die Parteien Vorsorge, um die Reihen ihrer Kandidaten für die Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen von Stasi-Mitarbeitern freizuhalten. Bei der CDU soll jeder, der ein entsprechendes Mandat anstrebt, bereits vorab schriftlich seine Bereitschaft erklären, sich von der Gauck- Behörde überprüfen zu lassen. Ein entsprechender Beschluß des Landesvorstandes ging bereits allen Kreisverbänden zu. Die SPD überläßt die Entscheidung ihren Kreisverbänden, die die KandidatInnen nominieren. Deren Befragung ist, nach Einschätzung von Parteisprecher Michael Donnersmeyer, schärfer als Gaucks. Auch die PDS will den Parteigliederungen, die die Kandidaten nominieren, die Überprüfung überlassen. Bei der FDP kann der Landesverband, entsprechend den jüngst beschlossenen Richtlinien des Präsidiums, eine parteiinterne Kontrollkommission einsetzen. Die Grünen haben, eingedenk der jüngsten Enthüllungen über die Stasi-Tätigkeit Dirk Schneiders, allen Mitgliedern empfohlen, sich von der Gauck-Behörde überprüfen zu lassen. Dr

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