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Lassen EG-Bremser das Gatt scheitern?

Gatt: Hinweise auf Bewegung der EG in der Agrarfrage stoßen in Genf noch auf abwartende Skepsis  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Noch stoßen die Meldungen über eine veränderte Haltung der EG in der Agrarfrage, die seit dem Wochenende aus Brüssel und Bonn nach Genf dringen, auf abwartende Skepsis bei den dortigen Unterhändlern der anderen Staaten, die über das Allgemeine Zoll-und Handelsabkommen (Gatt) verhandeln. Bisher ist unklar, ob die in Aussicht gestellte Flexibilität der Gemeinschaft so weit reicht, daß die Genfer Verhandlungsgruppe zu Agrarfragen bis Ende Oktober ein Konsenspapier vorlegen kann — als Basis für einen politischen Abschluß der Uruguay- Runde durch ein Ministertreffen Ende des Jahres.

Bewegung in die seit dem gescheiterten Brüsseler Ministertreffen im Dezember 1990 festgefahrenen Agrarverhandlungen brachte vorige Woche ein Beschluß des Bonner Kabinetts, einem Abbau von internen Beihilfen und Exportsubventionen für Bauern zuzustimmen. Die USA und die Cairns-Gruppe der 14 wichtigsten Agrarexportländer verlangen Kürzungen zwischen 75 und 90 Prozent, die EG hatte sich bislang zu einer Reduzierung um 30 Prozent bereiterklärt. Der darüber hinausgehende Kabinettsbeschluß — mit dem sich Bundeswirtschaftsminister Möllemann gegen Landwirtschaftsminister Kiechle durchsetzte — ist allerdings mit zahlreichen Bedingungen verbunden, die bei den anderen Gatt-Verhandlungsteilnehmern auf Widerspruch stoßen dürften. Die Bauern sollen als Ausgleich für gekürzte Subventionen direkte Zuschüsse zum Einkommen erhalten — unabhängig von der produzierten Menge von Agrarprodukten. Diese Zuschüsse — so sagte Kiechle — dürften bei einem Gatt-Abkommen nicht in die Liste der Maßnahmen aufgenommen werden, die reduziert oder ganz abgeschafft werden müssen. Die Entscheidung des Kabinetts ist darauf angelegt, eine Einigung bei den Gatt-Agrarverhandlungen bis zum Jahresende auch ohne eine vorherige komplette Reform des EG- Agrarpreissystems zu erreichen. Denn die — von den USA und der Cairns-Gruppe langfristig gefordert — ist innerhalb der EG derzeit nicht durchsetzbar. Dennoch stieß der Bonner Beschluß nicht auf ungeteilte Zustimmung in der EG. Die Minister Irlands und Frankreichs lehnten ihn trotz seiner zahlreichen Bedingungen mit scharfen Worten ab. Der irische Minister O'Malley fühlt sich „von den Deutschen im Stich gelassen“. Bonn sei daran interessiert, „daß sehr schnell ein Gatt-Abkommen erzielt wird, ganz egal, was die Kosten sein werden“. Die Franzosen, die sich bisher besonders vehement gegen jegliche Reduzierung der Exportsubventionen gewehrt haben, äußerten sich ähnlich verärgert.

Zur Vorlage eines neuen EG-Vorschlages bei den Genfer Expertenverhandlungen bedarf es des Konsens unter den zwölf. Verhandlungsteilnehmer anderer Staaten sind angesichts der Reaktionen aus Dublin und Paris sehr skeptisch. Hinzu kommt, daß auch in dem Bonner Kabinettsbeschluß ein Thema der Agrarverhandlungen überhaupt nicht erfaßt wird, das sich in den letzten Wochen als noch schwieriger als die Exportsubventionen erwiesen hat: die Frage eines Abbaus von Importschranken gegen ausländische Agrarprodukte. Auch hier nehmen die EG-Staaten — sowie Japan mit seinen Barrieren gegen die Einfuhr von Reis — nach wie vor die mit Abstand restriktivste Haltung unter den 109 Gatt-Mitgliedsstaten ein.

Ein mögliches Szenario ist, daß die achtköpfige Genfer Agrarverhandlungsgruppe der Aufforderung Dunkels folgt, und bis Ende Oktober ein gemeinsames Papier vorlegt nach dem Motto: Friß Vogel oder stirb. Es läge dann an den bisherigen Bremsern in der EG zu entscheiden, ob sie einen Abschluß der Uruguay-Runde erneut scheitern lassen wollen.

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