: Keine Härtefonds in Nordrhein-Westfalen
■ Das Land weigert sich, die Versorgung NS-Verfolgter gesetzlich sicherzustellen
In Nordrhein-Westfalen wird es keine Landesgesetzgebung zur Versorgung NS-Verfolgter geben. Das Land will auch keine Härtefonds oder Stiftungen einrichten, wie es sie in Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und bald auch in Hessen gibt. Das teilte Ministerpräsident Johannes Rau in einem Brief vom 22. Juli dieses Jahres an die Informations- und Beratungsstelle für NS-Verfolgte, einer Einrichtung von Verfolgten-Verbänden in der Bundesrepublik, mit.
Das Kölner Büro für NS-Verfolgte hatte in einem Schreiben an Rau darum gebeten, eine entsprechende Landesgesetzgebung zu entwickeln, da sich mit der sogenannten endgültigen Abschlußregelung für die Opfer des NS-Regimes vom Dezember 1987 und den folgenden „Härterichtlinien“ zeigte, daß es wieder keine umfassende Anerkennung und Entschädigung aller NS- Opfer gab. Aus diesem Grunde verankerten alle anderen sozialdemokratisch regierten Länder Härtefonds oder sogar eine gesetzliche Altersversorgung, um die soziale Situation der noch lebenden NS-Verfolgten abzumildern. Grund: Die Opfer bräuchten wegen ihres Alters sofort Hilfe und könnten nicht Legislaturperioden abwarten, bis sich aufgrund neuer Mehrheitsverhältnisse auf Bundesebene eine Entschädigung aller NS-Opfer gesetzlich verankern ließe. Johannes Rau teilte nun dem Kölner Büro mit, daß die Länder verfassungsrechtlich gehindert seien, vom Bundesentschädigungsgesetz abzuweichen. „Einige Länder haben sich über die verfassungsrechtlichen Bedenken hinweggesetzt und unter sozialen Aspekten (...) eigene Härtefonds beziehungsweise Stiftungen eingerichtet“, hieß es. Nordrhein-Westfalen will diesem Weg nicht folgen, wenn es nach Rau geht. Denn: Eine Grundversorgung für alle NS-Verfolgten würde „eine völlige Abkehr von dem bisher am Schadensersatzprinzip orientierten Bundesentschädigungsgesetz bedeuten“.
Im Büro für NS-Verfolgte ist man darüber enttäuscht und verärgert. „Wir meinen, daß Rau sich in keiner Weise wirklich auf unsere Argumente eingelassen hat“, kommentiert Sonja Schlegel, eine Mitarbeiterin des Büros. Rau hielt es auch nicht für nötig, VertreterInnen von Verfolgtenverbänden einzuladen, um das Thema zu diskutieren. Die Verfolgtenverbände in NRW hoffen dennoch, das Land von der Notwendigkeit einer raschen Landesinitiative zur Versorgung aller NS-Verfolgten zu überzeugen. Ingo Zander
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