: Kitas nach Sparbeschlüssen vor unlösbarer Aufgabe
■ Eltern und Gewerkschaften befürchten, daß die Sparbeschlüsse des Senats auf Kosten Alleinerziehender gehen/ Jugendsenator Krüger versucht zu beruhigen
Berlin. Für die Neuköllner Kindertagesstätte Weserstraße gestalteten sich die schlechten Nachrichten in den vergangenen Wochen zu Hiobsbotschaften. Noch gibt es für die 120 Kinder zwölf ErzieherInnen. Doch zum nächsten Jahr sollen drei Erzieherstellen gestrichen werden. »Neun Erzieher können doch keine pädagogische Erziehung mehr gewährleisten«, ist die Elternvertreterin Claudia Bäumler überzeugt. Einige Tage später wurde den Eltern angekündigt, daß auch die Stelle der Turnlehrerin gestrichen werden soll. Die Aufhebung eines Sparbeschlusses des Bezirkes hat die Streichung jedoch noch einmal rückgängig gemacht. Für die Elternvertreterin hat die bloße Ankündigung schon gezeigt, wie rüde bei den Kitas gekürzt würde, wenn das Geld fehlt. Insgesamt werden in Neukölln 20 Stellen gestrichen.
Seit dem Senatsbeschluß vom August dieses Jahres, 1.500 Erzieherstellen zu streichen, hat sich die Empörung und Beunruhigung bei Eltern und Gewerkschaften nicht gelegt. Alleinerziehende müssen darum fürchten, ihre Kinder nicht mehr tagsüber unterbringen zu können, wenn die Kitas ihre Öffnungszeiten verkürzten. ÖTV-Sprecherin Iris Hoppe spricht von einer bevorstehenden »Negativauslese«. »Es ist eine große Unverschämtheit, von einer alleinerziehenden Mutter zu verlangen, daß sie ihr Kind um 15 Uhr aus der Kita abholen soll.« Schon jetzt, meint Hoppe, würden in den Kitas Kinder nur noch »aufbewahrt« werden können und nicht angemessen betreut, aber nach den Sparbeschlüssen sei nicht einmal mehr das möglich.
Doch Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) beruhigt und meint, daß alles gar nicht so schlimm sei. Rund 1.000 Stellen sollen allein in Ost-Berlin durch den Abbau des Personalüberhangs eingespart werden, der durch die bereits erfolgte Schließung von Kitas entstanden ist, erklärte er gestern. Das habe praktisch keine Auswirkungen auf die Versorgungssituation der Kitas. Zusätzlich soll in den östlichen Bezirken ein Einstellungsstopp verhängt werden.
Die Streichung der übrigen 500 Stellen — verteilt über Gesamt-Berlin — ziehe auf keinen Fall eine generelle Verkürzung der Öffnungszeiten nach sich. Allerdings zielen die Sparbeschlüsse sehr wohl darauf ab, daß Kinder früher aus der Kita abgeholt werden. »Wir gehen davon aus«, sagte Krüger, »daß bis zu 30 Prozent der Kinder in der Regel zwischen 14 und 15 Uhr abgeholt werden.« Das hätten durchgeführte Stichproben bestätigt. Ab dieser Zeit könnten nach Meinung des Jugendsenators und auch der Stadträte Gruppen zusammengelegt werden.
Der Schlüssel zur Berechnung der einzusparenden Stellen hat sich aus den Platzzahlen in den einzelnen Bezirken ergeben; unberücksichtigt blieben dabei jedoch die unterschiedlichen Sozialstrukturen. In Wedding und Tiergarten ist die Zahl der alleinerziehenden Frauen um etliches größer als in anderen Bezirken, so daß die Kinder dort wesentlich länger in der Kita bleiben müssen als in einem Bezirk wie Zehlendorf, in dem ein großer Teil der Kinder vornehmlich aus pädagogischen Gründen eine Kita besucht.
Der Weddinger Jugendstadtrat Klaus-Rudolf Seidel (CDU), bemängelt denn auch, daß der Jugendsenator »rein numerisch« vorgegangen ist, und nicht den sozialen Ausgleich berücksichtigt hat. »Wir müssen einfach eine Vollpflege gewährleisten, um den Eltern überhaupt das Arbeiten zu ermöglichen.« Auf keinen Fall, so Seidel, werden die 14 eingeforderten Stellen zum Beginn des nächsten Jahres zur Verfügung stehen.
Der Jugendstadtrat von Friedrichshain, Lorenz Postler (SPD), hatte von vornherein eine Verkürzung der Öffnungszeiten abgelehnt: »Wir haben immer gesagt, daß das für uns nicht in Frage kommt. Das Ganze muß schließlich sozialverträglich gestaltet werden.« So versichert denn Jugendsenator Krüger auch, daß keine Arbeitnehmerin ihren Job verlieren wird, weil sie ihr Kind nicht unterbringen könne, eine Garantie wollte er darauf jedoch nicht geben. Was allerdings die 25.000 Kinder betrifft, die derzeit noch auf einen Kitaplatz warten müssen, gilt das natürlich nicht. Da muß Krüger auf den Geburtenrückgang in Ost-Berlin warten.
Aber daß Eltern und Kindern die starke Lobby fehlt, wie ÖTVlerin Iris Hoppe meint, könnte sich vielleicht bald ändern. Bei der Jugendsenatsverwaltung rufen neuerdings schon Bonner Ministerialbeamte an und erkundigen sich, ob denn auch für ihre Kinder eine angemessene Betreuung in Berlin gewährleistet wäre. Thekla Dannenberg
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