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Eine Spritze für kranken Berliner Wald

■ Waldschadenserhebung 1991: Um die Forsten ist es schlecht bestellt/ Über 77 Prozent der Fläche geschädigt/ Der Osten schneidet mit doppelt hohen Belastungsdaten im Vergleich zum Westen ab

Berlin. Der Gesundheitszustand der Berliner Wälder ist sehr schlecht. Nur noch 22,5 Prozent der Waldfläche sind ohne sichtbare Schädigungen, 48,1 Prozent sind leicht geschädigt und 29,4 Prozent weisen deutliche Erkrankungen bis zum Absterben auf. Im Wuchsgebiet des Landes Brandenburg, zu dem die Berliner Forsten gehören, verteilen sich die Bäume zu je rund einem Drittel auf die drei Kategorien, konstatiert die Waldschadenserhebung 1991.

Die Forstämter in den Ostbezirken der Bundeshauptstadt haben annähernd doppelt so hohe Waldschäden zu verkraften wie die Westämter. Dennoch setzt sich auch in Westberlin die Negativtendenz deutlich fort. »Der Wald müßte eigentlich in ein Rehabilitationszentrum. Wir nehmen den Bäumen nicht nur die Luft zum Atmen, sondern graben ihnen auch noch das Wasser ab«, umschrieb Wolfgang Branoner (CDU) Staatssekretär in der Senatsumweltverwaltung, Ursachen für die Ökokatastrophe. Durch das vermehrte Verlichten und sogar Absterben älterer Eichen — besonders dramatisch im Forst Friedrichshagen zu beobachten — würden stabile Mischbestände gefärdet. In der DDR war dies ohnehin vernachlässigt worden. Dem Holzeinschlag und damit dem Anbau schnellwüchsiger Nadelsorten galt Priorität, durch chemische Düngung wurden optische Effekte bei gleichzeitiger Verseuchung des Bodens erzielt.

Als nicht günstig erwies sich die Klimasituation der letzten Jahre. Nach längeren Trockenperioden im Frühjahr folgten meist ein feuchter Vorsommer, 1990 und 1991 ein extrem trocken-warmer Spätsommer. Auch erwies sich der Winter dieses Jahres als zu warm, für die Bäume war keine echte Vegetationsruhe möglich. In den Trockenjahren wird besonders deutlich, daß die Förderung des Berliner Trinkwassers in großem Umfang aus Waldgebieten erfolgt. Während in Brandenburg zusätzlich biotische Schaderreger eine Rolle spielen, treten diese in Berlin kaum auf. Hier spielen die weiter gewachsenen Luftschadstoffemissionen die gravierendste Rolle, denen vor allem der Ostberliner Wald ausgesetzt ist. Auf Braunkohle basierende Industrie- und Hausbrandfeuerung, die durch das Zementwerk Rüdersdorf eingetragenen Kalkstäube, und der enorm angewachsene Fahrzeugverkehr sind wesentliche Todesfaktoren für das Stadtgrün. Während in den Ostwäldern durch forstliche Maßnahmen noch bedeutende Verbesserungen zu erzielen sind, scheint der Westen auf diesem Gebiet am Ende seiner Möglichkeiten zu sein. Da die Emissionen im Berliner Raum in absehbarer Zeit wohl nicht abnehmen werden, sei zu fragen, »ob das Ökosystem Wald im Großstadtraum überhaupt eine Zukunft hat, wenn nicht massiv für die Wälder und damit indirekt auch für die Menschen gesorgt wird«, so der Bericht. adn

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