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EG-Sicherheitspolitik im Nato-Visier

Deutsch-französischer Vorschlag beherrscht Treffen der „Nuklearen Planungsgruppe“ in Taormina/ Durchwachsene Reaktionen der Nato-Partner/ USA: Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen  ■ Aus Taormina Andreas Zumach

Vor der malerischen Küste Taorminas, mit dem Ätna im Hintergrund, demonstrierte „Greenpeace“ gestern morgen mit Drachenfliegern und einem Hubschrauber für die Verschrottung sämtlicher Atomwaffen der Nato in Westeuropa. Ohne diese Aktion hätte der Gegenstand, der der „Nuklearen Planungsgruppe“ der westlichen Allianz ihren Name gibt, am ersten Tag ihrer 50. Sitzung überhaupt keine Rolle gespielt. Die 15 Verteidigungsminister (Frankreich nimmt an diesen Tagungen nicht teil) beschäftigte fast nur ein Thema: die am Mittwoch veröffentlichte deutsch-französische Initiative für eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik.

Nach den zum Teil heftigen Gegenreaktionen, vor allem der Briten, hieß der Auftrag von Verteidigungsminister Stoltenberg gestern: erläutern und beschwichtigen. Der Chef der Hardthöhe beteuerte, die in der Initiative vorgesehene Streitmacht der EG/WEU sei „nicht als Alternative zur Nato“ gedacht, sondern „komplementär“ zu verstehen. Für die Schaffung westeuropäischer Streitmacht sollten der Nato keine deutschen Soldaten „entzogen werden“ und auch „keine neuen militärische Einheiten aufgestellt werden“.

Stattdessen sei vorgesehen, daß der Nato zugeordnete Verbände künftig einen „zweiten Hut tragen“. Dieses heißt allerdings — so Stoltenbergs Pressechef Wichter — daß sie in bestimmten Krisensituationen, in denen sie für die EG/WEU-Streitmacht benötigt werden, „der Nato nicht zur Verfügung stehen“. Auf die Frage nach den unterschiedlichen Aufgaben von Nato und künftiger EG/WEU-Streitmacht machte Stoltenberg deutlich, daß letztere auch für „out of area“ vorgesehen sei. Als Beispiel erwähnte er die Einsätze einzelner EG-Mitgliedsstaaten in der Golfregion.

Der Bundesminister und sein Stab waren vor allem bemüht, die konkreten Planungen für die Aufstellung eines französisch-deutschen Armeekorps (mindestens 50.000 Soldaten, Standort Straßburg) als „nicht existent“ herabzuspielen. Besonders diese Initiative und die Absicht, dieses Armeekorps zum Nukleus einer künftigen EG/WEU-Streitmacht von rund 100.000 Soldaten zu machen, waren auf großes Mißtrauen in London aber auch Den Haag und Lissabon gestoßen. Vor Journalisten erklärte Stoltenberg, er habe von „vielen seiner Kollegen“, darunter dem Briten King und dem US-Amerikaner Cheney, „positive“ Reaktionen erhalten.

Aus britischem Mund klang dies allerdings ganz anders. Die Äußerung von Außenminister Hurd („gefährlich“) spiegele „vollgültig die Haltung der Regierung in London“ wider, erklärte Kings Sprecher. Auffällig zurück hielten sich bis gestern die USA. Neben dem kühl-distanzierten Satz, die deutsch-fanzösische Initiative könne „noch nicht das letzte Wort aus der EG sein“, gab es keine offiziellen Reaktionen.

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