: Der Wettlauf um die Wuhlheide hat begonnen
■ Bezirksamt von Köpenick will sich auf Kosten des Waldes sanieren/ Der Treuhand liegen zwei Nutzungsansprüche vor
Köpenick. Statt Waldesrauschen umgibt die alte Fösterei an der Wuhlheide ein ständiger Verkehrslärm. Seitdem in den Jahren 1986/87 die hier entlang führende Straße auf Kosten des Waldes autogerecht verbreitert wurde, beneidet niemand mehr den Revierförster Ingo Bartsch um seine Dienstwohnung. Zwar gab es auch zu DDR-Zeiten ein Gesetz zum Schutz des Waldes, und im Jahre 1965 wurden alle zu Berlin (Ost) gehörenden Wälder unter Landschaftsschutz gestellt. Dennoch erlitt die Wuhlheide in den letzten 30 Jahren erhebliche Einbußen. So reduzierten der Pionierpark Wulheide, die Deutsche Reichsbahn, Wohnsiedlungen, Sportstätten, das ehemalige Ministerium für Wissenschaft und Technik (heutiger Innovationspark) und auch eine Stasi-Einrichtung die Waldfläche um rund 215 Hektar.
Stadtnahem Wald kommt wegen seiner wohltuenden Wirkung auf Klima und Grundwasser eine besondere Bedeutung zu. Doch er kann seine Funktionen im Naturhaushalt nur dann erfüllen, wenn gewisse zusammenhängende Mindestflächen bestehen, so Oberförster Jörg Haase vom zuständigen Forstamt Treptow. Deshalb hatte im Jahre 1990 die Forstverwaltung Berlin für das Gebiet der Wuhlheide einen Rahmenplan an der TU Dresden, Sektion Forstwirtschaft, in Auftrag gegeben. Außerdem beantragte die Forstverwaltung bei der Treuhandanstalt die Rückführung aller im Grundbuch ausgewiesenen Forstflächen.
Doch der Wettlauf um eine Nutzung der Waldfläche hat längst begonnen. Mittlerweile liegen bei der Treuhand mindestens zwei Ansprüche auf die Forstflächen vor, so Bezirksstadtrat Klaus Ulbricht, verantwortlich für den Bereich Wirtschaft und Finanzen.
Da die bisherigen Industriestandorte wegen Altlastproblemen und ungeklärten Eigentumsverhältnissen nicht verfügbar sind, erhebt auch das Bezirksamt Köpenick Anspruch auf einige Flächen des Berliner Waldbesitzes. So vergab das Bezirksamt im August 1991 unabhängig von der Forstverwaltung mehrere Aufträge für »landschaftsplanerische Gutachten« auf dem Gebiet der Wuhlheide. Wie Bernd Hellinger, Bezirksstadtrat für Bauen und Wohnen betont, handelt es sich hierbei um »planerische Untersuchungen«, denn im »gestörten Waldgebiet Wuhlheide« gäbe es einen enormen Handlungs- und Ordnungsbedarf.
Insbesondere Jürgen Desch, bis vor kurzem noch Amtsleiter für Wohnen und Bauen, wollte sich das »Neuordnen« der Wuhlheide zur Lebensaufgabe machen. Gemeinsam mit der Stuttgarter Firma V-Consult entwickelte er den Plan eines sogenannten City-Parks. Bebaut werden sollen über 52 Hektar Wald beiderseits der Köpenicker Allee. Dabei handelt es sich ausgerechnet um jenen Teil der Wuhlheide, in dem die ältesten Kiefern und Eichen stehen. Inzwischen hat Desch, als ehemaliger Stasi-Mitarbeiter entlarvt, das Bezirksamt verlassen und sich direkt bei der Firma V-Consult einstellen lassen.
Dennoch verfolgt das Bezirksamt Köpenick weitere Industrieprojekte, allen voran beim derzeitgen Innovationspark Wuhlheide. Hier sollen die bisherigen Bebauungen größtenteils wieder verschwinden, da sie den Ansprüchen der künftigen Nutzer nicht genügen würden. Ähnliche Absichten verfolgt das Bezirksamt beim ehemaligen Pionierpark Wuhlheide. Auch hier soll abgerissen und neu gebaut werden. Großes Interesse hat das Bezirksamt Köpenick auch an dem »Volkspark Wuhlheide«, einem etwa 70 Hektar großen Waldgelände. Hier biete sich ein »machbarer Kompromiß für eine intensivere Erholungsnutzung an«, so Amtsleiter Dix.
Auch der Straßenbau schlägt noch einmal empfindlich zu Buche. Eine geplante Tangente soll entlang der Eisenbahnlinie des Berliner Außenrings die Verkehrsströme von Marzahn, Hellersdorf und Hohenschönhausen quer durch die Wuhlheide nach Grünau leiten — voraussichtlich vierspurig. Ob irgendeines dieser Vorhaben mit der Forstverwaltung abgestimmt wurde, war nicht zu erfahren.
Um das Landeswaldesgesetz scheinen sich jedenfalls der Bezirk und die Investoren nicht zu scheren. Nach dem Gesetz müßte der Bezirk die forstlichen Rahmenpläne berücksichtigen sowie die Forstverwaltung bereits bei der Vorbereitung der Planungen und Maßnahmen unterrichten. Iri Wolle
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen