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Protest unter Tage

■ 600 Meter unter der Erde gegen Möllemann

Hückelhoven (taz) — Sie liegen auf Kartons und Decken. Manche schlafen, andere hocken mit geröteten Augen auf eilig herbeigeschaffte Bohlen. 600 Meter unter der Erde, bei 25 Grad Celsius, aber man hat das Gefühl, als seien es zehn Grad weniger. Verantwortlich dafür ist ein scharfer Luftstrom von der Hauptstrecke, fast so ein Wind wie bei einer Deichwanderung. Seit Donnerstag abend harrt Bernd Fröhlich hier mit inzwischen schon über 600 weiteren Kollegen aus. Der Schacht gehört zur Zeche Sophia Jacoba in Hückelhoven, und die steht ganz oben auf der Liste der gefährdeten Zechen. Sollte sich Minister Möllemann mit seinen kohlepolitischen Vorstellungen durchsetzen, die für das Jahr 2005 auf eine Fördermenge von weniger als 50 Millionen Jahrestonnen hinauslaufen, dann käme der Deckel auf diesen Pütt. Entsprechend „beliebt“ ist Möllemann hier bei den Kumpeln. „Kumpelfeind Möllemann denk daran, irgendwann bist auch Du dran“, haben sie mit Kreide auf die Stahlträger geschrieben. „Die müssen mich hier schon raustragen, sonst kriegt mich keiner hier weg“, sagt Bernd Fröhlich, der seit 1980 auf der Zeche einfährt. Mindestens bis Montag werden sie aushalten, weil dann ein Gespräch im Bonner Wirtschaftsministerium über die Zukunft der Zeche anberaumt ist. Es geht dabei konkret um beantragte Finanzhilfen, die dazu dienen sollen, ein zusätzliches Kohlefeld von 13 Mio. Tonnen unter dem Flugplatz Wildenrath zu erschließen. Nachdem am Donnerstag aus Bonn das Signal kam, der Antrag auf einen Zuschuß von zunächst 15 Mio. DM werde abgelehnt, hatten es die Bergleute in Hückelhoven endgültig satt. Aus Solidarität mit den Bergleuten sind aus Dortmund ein halbes Dutzend Hoeschianer angereist. Nach zwei Stunden Wartezeit können auch sie einfahren. „Stahlarbeiter und Bergleute kämpfen gemeinsam. Solidarität hilft siegen“, so die Botschaft des Vertrauensmannes Manfred Kalasinski von der Hoesch- Westfalenhütte zu den Bergleuten auf der 4. Sohle. Walter Jakobs

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