piwik no script img

„Freispruch für Dr. Theissen“

Paragraph-218-Demonstration in Karlsruhe/ Die Revisionsverhandlung gegen den Memminger Frauenarzt vor dem Bundesgerichtshof war Anlaß für die Demonstration  ■ Von Dorothee Pfundstein

Für die ersatzlose Streichung des Paragraphen 218 demonstrierten am Samstag etwa 2.000 Frauen und einige Männer in Karlsruhe. Veranstalterinnen der Demonstration waren „Frauen gegen Paragraph 218“, „Frauen-begehren-Selbstbestimmung“ und der Unabhängige Frauenverband. Konkreter Anlaß der Demonstration war die morgen vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe beginnende Revisionsverhandlung gegen das Memminger Urteil. Der Memminger Frauenarzt Dr.Theissen war 1989 wegen illegaler Abtreibung zu zweieinhalb Jahren Gefängnis und drei Jahren Berufsverbot verurteilt worden. Vor dem von Polizisten gut geschützten Bundesgerichtshof forderten die Demonstrantinnen: „Freispruch für Dr.Theissen!“ Eine Frau aus Memmingen schilderte den „Hexenprozeß“, bei dem 139 Frauen wegen Abtreibung verurteilt worden waren. Mit Parolen wie „Gegen das Selbstbestimmungsrecht der Frau“ demonstrierten zur selben Zeit etwa 300 selbsternannte „Lebensschützer“ in Karlsruhe. Während sie ihre Kundgebung auf dem Europa-Platz abhielten, kam der Demonstrationszug der Frauen vorbei. Mit Pfeiffen, Trommeln und Tanzen reagierten die Frauen. Regungslos blickten die Lebensschützer auf das personifizierte Böse.

Auf der Abschlußkundgebung forderte Barbara Ritter von der bundesweiten Paragraph-218-Koordination: „Vor Flüchtlingsheimen sollten die selbsternannten Lebensschützer stehen und nicht auf dem Bauch von Frauen!“ „Das Boot ist voll“, werde behauptet und eine beispiellose Hetze gegen ausländische Familien mit Kindern betrieben. Barbara Ritter warnte davor, daß die rassistische Hetze gegen eine angebliche Überfremdung auch die Gewaltbereitschaft gegen abtreibende Frauen fördere.

Als nächste sprachen Christina Schenk vom Bündnis 90/Grüne und Petra Bläss von der PDS/Linke Liste. Beide Frauen haben im Bundestag einen Antrag auf ersatzlose Streichung des Paragraphen 218 eingebracht. Christina Schenk berichtete über den vom Bundestag eingerichteten Sonderausschuß „Zum Schutz des ungeborenen Lebens“. Sie habe CDU-Mitglieder gefragt, ob sie in Kauf nähmen, daß eine Frau durch eine ungewollte Schwangerschaft in eine psychosoziale Krise komme. Die Antwort der CDU-Vertreter sei „ja“ gewesen. Christina Schenk kritisierte, daß inzwischen in allen Parteien nicht das Selbstbestimmungsrecht der Frauen, sondern zunehmend der Schutz des ungeborenen Lebens im Mittelpunkt stehe. Zusammen mit Petra Bläss werde sie im Ausschuß die Forderung nach ersatzloser Streichung aufrechterhalten. Doch betonten beide, sollte im Ausschuß der Kompromiß Fristenregelung ohne Zwangsberatung zur Abstimmung anstehen, dann werden sie diesem Kompromiß, wenn auch schweren Herzens, zustimmen.

Als letzte Rednerin sprach Brigitte Kiechle von der Paragraph-218- Gruppe Karlsruhe. Sie wurde konkret: Die Frauen sollten, so weit noch nicht getan, aus der Kirche austreten und die gesparte Kirchensteuer den Paragraph-218-Komitees spenden. Am Samstag nachmittag und am Sonntag diskutierten die Vertreterinnen der Paragraph-218-Komitees, wie die politische Arbeit weitergehen soll. Frauen mit dem Anspruch auf ein selbstbestimmtes Leben sind ideologisch nicht in der Offensive und ob das Fristenmodell verabschiedet wird, ist nicht sicher.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen