: Rechter Vormarsch in der Schweiz
■ „Autopartei“ und regionalistisch-rassistische Tessiner Liga sind Gewinnerinnen — große konservative Parteien Verliererinnen der Nationalratswahlen/ Überfremdungsparolen und individualistische Konsumentenideologie/ Auch Grüne legten zu
Bern (afp/dpa/taz) — Spektakuläre Gewinne radikal rechter Parteien und Verluste im bürgerlichen Lager sind Hauptergebnisse der Schweizer Nationalratswahlen vom Wochenende. Hauptsiegerin ist die „Autopartei“, die mit ihrem Slogan „Freie Bahn für freie Bürger“ sowohl das Recht auf ungehemmten Schadstoffausstoß für Privatvehikel als auch das Fernhalten von Ausländern und Flüchtlingen von der Schweiz proklamiert. Sie wird im neuen Nationalrat mit acht statt bisher zwei Sitzen vertreten sein.
Die ebenfalls im rechtsextremen Spektrum angesiedelten „Schweizer Demokraten“ (ehemals „Nationale Aktion“) konnte ihre Sitzzahl von drei auf fünf erhöhen. Beide Parteien erreichten damit Fraktionsstärke.
Neu ins Parlament einziehen werden zwei Mitglieder der Tessiner „Lega dei Ticinesi“, die sich nach dem Vorbild der regionalistischen und rassistischen norditalienischen Ligen erst vor zehn Monaten gegründet hatte.
Bei den Grünen stand zunächst nicht eindeutig fest, ob die neugewählten „Linksgrünen“ zur Fraktion der Grünen Partei der Schweiz (GPS) stoßen werden. Wenn dies geschieht, wird ihre Fraktion 14 Mitglieder umfassen (bisher elf). Die größte Gruppierung war jedoch die der NichtwählerInnen: Mehr als 50 Prozent der SchweizerInnen blieben den Urnen fern. — Schwere Einbrüche erlitt das „Regierungskartell“ aus den vier Parteien, die die Schweiz bereits seit mehr als drei Jahrzehnten gemeinsam regieren. Die große Koalition büßte zwölf Sitze und damit ihre Dreiviertelmehrheit im Parlament ein. Alle drei bürgerlichen Koalitionspartner verloren Sitze, nur die Sozialdemokraten konnten dagegen leicht zulegen.
Am schwersten traf es die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP), die sieben Sitze verlor und noch 44 Abgeordnete stellt. Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) erreichte noch 37 Mandate (zuvor 42). Die Schweizerische Volkspartei (SVP), hat jetzt 22 Abgeordnete im Nationalrat (zuvor 25).
Die Sozialdemokratische Partei (SPD), der gute Gewinnchancen eingeräumt worden waren, errang lediglich einen zusätzlichen Sitz und stellt nun 44 Abgeordnete.
Im mit 200 Personen besetzten Nationalrat verfügt das „Regierungskartell“ jedoch auch künftig mit 147 Mandaten über eine klare Mehrheit. Die Zusammensetzung der Regierung, der siebenköpfige Bundesrat, dürfte sich deshalb nicht wesentlich ändern.
Wenn sich die radikal Rechten im Nationalrat zusammenschließen, avancieren sie zur fünfstärksten Fraktion. Von ihrem Erfolg waren sie gestern selbst überrascht. Die „Autopartei der Schweiz“ (APS) hatte sich selbst das Ziel gesteckt, mindestens fünf Abgeordnete ins Parlament zu schicken. Die Partei war 1985 gegründet worden und hatte in den letzten vier Jahren bei Wahlen in Kantonen insgesamt 47 Sitze gewonnen.
Ursprünglich war sie ausschließlich als Lobbyistin der Autofahrer angetreten. Inzwischen macht die Partei Stimmung gegen „Überfremdung“. Sie verlangt einen Einwanderungsstopp, der per Notrecht durchgesetzt werden soll. Illegal eingereiste Asylbewerber will sie ohne Anhörung sofort wieder abschieben — notfalls mit der Armee. dora
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