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ED-Behandlung für Asylbewerber

Entgegen anderslautenden Meldungen werden Aslybewerber seit Mitte 91 erkennungsdienstlich behandelt  ■ Aus Bremen Dirk Asendorpf

Seit Mitte dieses Jahres werden in Deutschland alle AsylbewerberInnen wie schwere Kriminelle behandelt. Entgegen allen gesetzlichen Vorschriften müssen sie sich Abdrücke der zehn Finger und sogar der Hand abnehmen lassen, die zentral vom Bundeskriminalamt in der Verbrecherdatei „INPOL“ gespeichert werden. Lediglich bei minderjährigen Kindern wird eine Ausnahme gemacht.

Als „Stigmatisierung und Kriminalisierung aller Ausländer“ kritisierte jetzt der Bremer Datenschutzbeauftragte Sven Holst diese Praxis und forderte eine sofortige strikte Trennung von polizeilichen und ausländerrechtlichen Daten. Neben den AsylbewerberInnen seien inzwischen auch schon zahlreiche andere AusländerInnen ohne ihr Wissen beim BKA gespeichert worden.

Nachdem 1990 bereits für einige Nationalitäten eine grundsätzliche Erkennungsdienstliche (ED) Behandlung bei der Beantragung von Asyl festgelegt worden war, hatte die Innenministerkonferenz des Bundes und der Länder die Praxis auf alle AsylbewerberInnen ausgeweitet. Zur Bearbeitung der dadurch anfallenden riesigen Zahl an Fingerabdrücken wurde Anfang Mai eigens die Einführung einer automatisierten Fingerabdruck-Speicherung (AFIS) beschlossen.

Bereits im Sommer hatte der Bremer Datenschutzbeauftragte seinen Kollegen im Bund auf diesen illegalen Beschluß aufmerksam gemacht und auch vom Bremer Innensenator die sofortige Beendigung der Fingerabdruck-Speicherung gefordert. Reaktionen hat er bisher auf seine Briefe nicht bekommen.

Dabei verstößt die ED-Behandlung und Speicherung im BKA- Computer nicht nur gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel, sondern auch eindeutig gegen den Wortlaut des Asylverfahrens- und Ausländergesetzes und steht auch noch im Widerspruch zu dem vom Bundesverfassungsgericht festgestellten „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“. „Dieses Recht gilt grundsätzlich auch für Ausländer uneingeschränkt“, erklärte Bremens Datenschützer Holst, „auch in Zeiten, in denen der politische Druck wächst und die Zahlen der Asylantragsteller rapide steigen.“ Die ED-Behandlung der AusländerInnen und aller AsylbewerberInnen sei auch nicht mit der Notwendigkeit einer eindeutigen Identitätsfeststellung zu begründen, stellte Holst fest. Abdrücke aller zehn Finger und des Handballens dürften dagegen nur von Schwerverbrechern genommen werden, um Spuren bei Gewaltverbrechen identifizieren zu können.

Ein weiterer eklatanter Verstoß gegen den Datenschutz sei es zudem, daß die Fingerabdrücke der AsylbewerberInnen von Polizeibeamten genommen wurden. Auch bei der Volkszählung seien aus gutem Grund Polizeibeamte nicht als Zähler eingesetzt worden, um den Datenschutz nicht zu gefährden. In Bremen wird die ED-Behandlung im Ausländeramt inzwischen von zwei Raumpflegerinnen durchgeführt.

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