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Tour d'Europe

■ Vorsicht Panne!

Gerade 19 Jahre alt ist die gentechnologische Forschung in diesem Jahr geworden. Doch in dieser Zeit hat die junge Wissenschaft eine steile Karriere gemacht, die sie bis in die Hobbyräume Tausender Bio-Tech- Adepten hineintrug. Nebenbei fand so manch genmanipuliertes Bakterium seinen Weg ins Freie — die meisten bis heute unerkannt, einige wenige jedoch mit inzwischen bekannten — teilweise fatalen — Folgen.

Die bislang größte veröffentlichte Katastrophe knüpft sich an den Namen „L-Tryptophan“. Dieser Eiweißbaustein kommt in Nahrungsmitteln vor, wird aber auch als Zusatz für Medikamente gegen Schlafstörungen, Depressionen und Rückenschmerzen verwendet. 1988 stellte das japanische Unternehmen „Showa Denko“ seine L-Tryptophan- Produktion auf ein gentechnisches Verfahren mit manipulierten Bakterien um, ohne seine Abnehmer darüber zu informieren. Mehrere hundert Menschen erkrankten daraufhin schwer an einer Immunschwäche, die mindestens 27 von ihnen das Leben kostete. Erst nachdem die amerikanischen und deutschen Gesundheitsbehörden die Präparate vom Markt genommen hatten, erfuhren sie von „Showa Denko“, daß das fragliche L-Tryptophan im Genlabor hergestellt worden war. Vermutlich löste eine Verunreinigung, die nur bei dem gentechnisch hergestellten L-Tryptophan zu finden war, die Krankheit aus. Nach dem Skandal stellte „Showa Denko“ seine L-Tryptophan- Produktion um. Doch vergleichbare Zwischenfälle könnten sich wiederholen, denn gentechnisch hergestellte Produkte müssen nicht unbedingt als solche deklariert werden. So ist beispielsweise nicht nachprüfbar, ob Apartam, der Zuckerersatz in den „Light-Getränken“, aus dem Genlabor stammt oder nicht.

Wie wenig beherrschbar Genmanipulation bis heute ist, zeigte sich sich auch am Fall der genmanipulierten Petunien, die im vergangenen Jahr in Köln im Freiland gepflanzt wurden. Nach dem Plan ihrer wissenschaftlichen SchöpferInnen sollten die weitaus meisten der 30.000 Blumen in einem knalligen Lachsrot erblühen, nur eine kleine Handvoll von ihnen sollte weiß werden. Doch entgegen der Prognose blühte bald die Hälfte der genmanipulierten Petunien weiß. „Umweltfaktoren“, lautete die Erklärung der Wissenschaftler. Leider konnten sie jedoch nicht sagen, welche „Umweltfaktoren“ gewirkt hatten — die Wärme, das Licht, die Feuchtigkeit...?

Völlig unkontrolliert verlief die „Freisetzung“ von gentechnisch manipulierten Bakterien aus dem „VEB Promiko“ in Schönebeck bei Magdeburg. Ohne zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen hatte die Humboldt- Universität dort in den 80er Jahren genmanipulierte Bakterien in die Produktion von Lebensmittelenzymen eingeführt. Da es in der DDR keine gesetzliche Regelung über den Umgang mit solchen Materialien gab, war das nicht einmal illegal. Ein beteiligter Genetiker, der Berliner Prof. Börner, beschwichtigte, „schlimmstenfalls“ gebe es jetzt eine „Bakterienpopulation in der Umwelt“.

Vielleicht wollen das die Bio- Hacker nachahmen, die sich für 1.050 DM ein „Basispaket“ aus den USA schicken lassen: Die Grundausstattung soll ausreichen, um zu Hause neue Bakterien zu züchten. dora

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