Von Mister Spock und Katzensaft

Das Gesetz des Serienschrotts — eine kritische Würdigung  ■ Von Eva Schweitzer

„Wie kannst du mich um diese Zeit anrufen?“ sagt Kollege T. „Weißt du nicht, daß jetzt Raumschiff Enterprise kommt? Auf Premiere!“ Raumschiff Enterprise! Pille! Kirk! Scotti! Der gute alte Mister Spock! Faszinierend!

Und was ist bitte Premiere, frage ich, die Unbekabelte. Das sei ein neuer Kabelsender, ob ich denn hinter dem Mond lebte, und danach solle ich auch nicht anrufen, dann käme Twin Peaks auf RTLplus.

Ich brauche kein Kabel, um mich durch alle Serien dieses Landes zu fressen. Kommt doch alles auf Antenne: Die Ehekrise der Mutter Beimer auf ARD, Schwester Rosenthals Brustoperation auf RTLplus, Little Joe und Hoss auf Sat.1, dort auch bis vor kurzem die Bezaubernde Jeannie mit einem ganz süßen kleinen J.R., Familie Feuerstein, Batman und Robin und das sprechende Pferd Mr.Ed.

Fast alles — Bugs Bunni und Speedy Gonzales gibts natürlich nur auf Pro 7. Und Alf verließ das ZDF, aber wir werden uns an die Simpsons gewöhnen, und außerdem laufen gerade die neue Staffeln der Praxis Bülowbogen, wenn auch ohne Gleisdreieck. Wäre doch gelacht, wenn Dr.Brockmann und die bezaubernde Staatsanwältin Rosemarie Monk nicht mehr zusammenkämen. Immer wieder freuen wir uns, wenn Sir Humphrey den Minister hereinlegt oder Eddie Munster — in einer Cover-Version auf RTL — die Schule schwänzt, während das Biest Alexis zum Glück das Zeitliche segnete. Irgendwie fand ich sie künstlich. Wo ist eigentlich Flipper geblieben?

Wenn es sie alle nicht gäbe — man wüßte gar nicht, woran man Anteil nehmen sollte. Immer ist ein Gesprächsthema zur Hand („Findest du nicht auch, daß Tanja Schildknecht langsam mal abkratzen sollte?“), immer gibt es jemanden, der größere Sorgen hat, als man selbst („Warum darf ich die Katze nicht fressen, Kate?“), und es schult den Geist ungeheuer, sich all die kunstvoll miteinander verknüpften Handlungsstränge zu merken.

Doch, das tut es. Die moderne Serie besteht nämlich nicht aus einzelnen Episoden mit Anfang, Höhepunkt und Schluß, nein, jede Folge fängt unvermittelt an, wechselt dann zu irgendwelchen Personen, flacht zwischendurch ab und bäumt sich zum Schluß zum Höhepunkt auf — zu einem der Höhepunkte, denn in der modernen Serie sind immer mindestens drei Handlungsstränge miteinander verknüpft. Cliff Barnes verführt Sly, J.R. kauft Weststar-Aktien und Sue Ellen entführt John Ross.

Gleichzeitig verkrachen sich Vasily und Beate, Friedhelm hängt sich auf und Robby vögelt mit einer Frau! Und warum brannte die Merker- Villa ab? Bekam Ulrike von Möllendorf einen allergischen Schock auf der Funkausstellung? Warum hat J.R. Sly wieder eingestellt? Warum merkt Dr.Bellows nichts? Warum kommt Bill Cosby nicht auf RTL? Warum ruft Kollege T. immer dann an, wenn ich gerade Lindenstraße gucke? Und wann hören diese dämlichen Lieben Verwandten auf und wir dürfen wieder die Golden Girls sehen? Darauf ein Glas Katzensaft.

Übrigens ist auch der eigene Berufsstand nicht vor der Serie gefeit. In Capital News — RTL plus — kämpft das Gute in Form ein paar tapferer kleiner Tageszeitungsreporter gegen das Böse: korrupte Konzernchefs, reiche Supermarktkönige, profilierungssüchtige Kollegen, gestreßte Politiker, unzuverlässige Informanten und intrigante Ressortleiter. Wenn das Max Headroom hätte erleben könne, damals in St.Olaf!

„Alles Unsinn“, sagt Kollege T., und ihm würde es reichen, wenn Comander Cliff McLane wieder über den Bildschirm raste. Er blickt sich um in seiner tapferen kleinen Tageszeitungsredaktion voller unzuverlässiger Reporter, profilierungssüchtiger Informanten, intriganter Kollegen und gestreßter Ressortleiter. „Beam me up Scotti, there's no intelligent life down here“, sagt er. Dann schaltet er die Abendschau ein.