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Industrie will Arbeitsmigranten schützen

■ Hans Peter Stihl, Chef des Deutschen Industrie- und Handelstages, betont Verdienste ausländischer Arbeiter/ SPD wirf CDU Fremdenhaß-Kampagne vor und warnt vor neuem deutschem Nationalismus

Berlin/Bonn (ap/dpa) — Die Übergriffe gegen Ausländer in Deutschland könnten negative Folgen für die Wirtschaft der Bundesrepublik haben. Darauf hat der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), Hans Peter Stihl, hingewiesen. Er sei „sehr besorgt über die jüngsten Vorfälle gegen Ausländer in Deutschland“, sagte Stihl. „Abgesehen von der moralischen Abwertung durch das Ausland können damit wirtschaftliche Folgen verbunden sein.“ Die Bundesrepublik brauche „ein positives Bild im Ausland, weil wir auf ausländische Unternehmen angewiesen sind“. Stihl forderte, „mehr Zeichen der Freundschaft“ zu setzen, etwa durch Patenschaften für Ausländerwohnheime. „Radikale Ausländerhetzer“ müßten hart bestraft werden. „Mit dem, was diese Kriminellen anrichten, schädigen sie uns alle.“ Millionen Arbeitsplätze hingen vom Verkauf von Waren und Dienstleistungen ans Ausland ab, laut Stihl „35 Prozent der Gesamtausfuhr“. Die Bundesrepublik profitiere auch „enorm“ von den ausländischen Mitbürgern. Deshalb werde die Wirtschaft stärker als bisher über den positiven Beitrag der ausländischen Mitbürger zur deutschen Wirtschaftsleistung informieren, kündigte er an.

Vor dem Hintergrund der jüngsten Angriffe auf Ausländer hat der stellvertretende SPD-Vorsitzende Wolfgang Thierse vor einer Wiederauferstehung eines „gefährlichen deutschen Nationalismus“ gewarnt. „Wenn das der Preis der deutschen Einheit ist, dann war die deutsche Einheit falsch“, sagte Thierse am Mittwoch abend in Dresden. Die SPD müsse ein gesellschaftliches Klima schaffen, in dem Ausländerfeindlichkeit als „verbrecherisch“ angesehen wird.

Die Bundesregierung will den Wohlfahrtsverbänden die Zuschüsse für die Betreuung von Aussiedlern und ausländischen Flüchtlingen um ein Viertel kürzen. Begründet werde dies mit dem Rückgang der Aussiedlerzahl. Im ersten Halbjahr 1991 war die Aussiedlerzahl nach Angaben des Ministeriums um 50 Prozent zurückgegangen.

In der Bundesrepublik sind derzeit 432 Verfahren mit rechtsextremistischem oder ausländerfeindlichem Hintergrund anhängig. Das teilte das schleswig-holsteinische Justizministerium am Donnerstag in Kiel mit. Unterdessen haben unbekannte Täter am Mittwoch abend im württembergischen Waldenbuch im Kreis Böblingen erneut einen Brandsatz gegen einen von Asylbewerbern bewohnten Wohncontainer geschleudert, der sofort Feuer fing. Nach Polizeiangaben erlitten zwei Libanesen beim fluchtartigen Verlassen des Containers leichte Verletzungen, die sie ambulant im Krankenhaus behandeln lassen mußten. Das Feuer konnte rasch gelöscht werden. Ein weiterer Brandanschlag auf eine Unterkunft für Asylbewerber in München scheiterte. Nach Mitteilung der Polizei warfen unbekannte Täter in den frühen Morgenstunden zwei Molotowcocktails gegen das Heim, in dem 20 Asylbewerber untergebracht sind. Die mit Benzin gefüllten Flaschen detonierten jedoch nicht. Verletzt wurde niemand. Bei einem Anschlag auf ein Asylbewerberheim in Cottbus ist in der Nacht zu Donnerstag ein Rumäne leicht verletzt worden.

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