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Die Frau in den besten Jahren

■ »Missfits« in der UFA-Fabrik bringen 20 Jahre Frauenbewegung auf den Punkt

Was ist eigentlich aus den »Lila Latzhosen« geworden? Wer weiß etwas über den Verbleib naturbelassener Tamponschwämmchen, und wo zum Teufel sind die Hundertschaften radikaler LAZ-Aktivistinnen gelandet? Auf dem Hauptbahnhof. In Pumps und Nahtstrumpfhose warten sie, Blumen im Arm, Schminke im Gesicht, auf ihre Ehemänner (!) und sind selbst ganz erstaunt darüber, wie sie sich verändert haben. Ein Seidenmalereikurs in der VHS, der Werkzeugkurs für Frauen, bei dem seinerzeit Gretas »Ente« dran glauben mußte, und dann der verunglückte Menstruationsworkshop in Zülpich — alles nicht mehr wahr. Druckdeckelkannen zu zweieinhalb Liter, Ansatzwellen ohne Treibgas und ein Shampoo, das »einfach alles rauswäscht«, bestimmen nun den Alltag von Greta und Brigitte.

Bis dahin mag die Geschichte allseits bekannt sein, und sie wäre auch nicht sehr originell, wenn Grete wirklich Greta wäre oder Brigitte gar Brigitte. Weil die beiden aber doch nicht auf einem Bahnhof stehen, sondern auf einer Kabarettbühne, weil sie »in echt (?)« Gerburg Jahnke und Stephanie Überall heißen und die »Missfits« sind, bekommt die Sache schon eine andere Wendung.

»Schluß, Schluß, Schluß mit der Idiotie« singen sie, und »vorbei-ei-ei sind die Fragen...« Dabei klingt das Xylophon so beruhigend beschwingt nach den fünfziger Jahren und die Pumps wackeln mit den Nahtstrümpfen im Takt. Nein, mit ihren Achselhaaren, die sie laut Choreographie hin und wieder dem Scheinwerferlicht preisgeben müssen, haben sie keine Probleme mehr. Das ist für die Missfits kein Thema in ihrem neuen Programm Die Frau in den besten Jahren. Genausowenig wie Männer, Kinderkriegen oder Älterwerden. Eher schon, daß billige Sonnenbrillen den »grauen Star« hervorrufen, Fettgebackenes zu ernährungsbedingten Krankheiten führt und — »Sie wollen doch jetzt nicht etwa rauchen?« — daß Nikotin — igitt! — unfruchtbar macht! Eine Bibliotheksleiterin aus Schwäbisch Hall hat ihr Bühnen-Coming-out erst mit der Ode Schlammendes Watt und dann mit einem friesischen Schollenfischer. Gerburg Jahnke singt unerlaubt das Trennungslied Ich will Dich nie wiedersehen, und erfährt dafür grausame Rache von ihrer Back-Stage-Truppe, die sie doch glatt mit einem Verfolger in die Knie zwingen will. Mit lila Federboa bringen die Missfits »20 Jahre Frauenbewegung auf den Punkt« und lovely Gerburg darf dann noch ein zweites Lied singen, diesmal mit Erlaubnis und einem gewissen Anspruch. »Frauen sind sensi-i-b-öl!« tönt es darum aus ihr und — »wer hier pfeift, hat nichts verstanden« — wir hören andächtig zu. Lassen uns im folgenden auch bereitwillig von Steffi Überall, die ihre Eierstöcke zwecks späterer Mutterschaft einfrieren möchte, als Senk- und Spreizfußträger beschimpfen und belehren, daß Dummheit im Zeitalter der Genmanipulation kein Schicksal mehr ist.

Das Zauberhaft-wunderschön- Exellente der Missfits ist gar nicht ihre eigene Weltsicht, auch nicht jenes besondere, romantische Liedgut, das sie mit so viel Verve zum Vortrage bringen, sondern vor allem die fulminante Einbildungskraft, mit der sie auf die Bühne hexen können, was immer sie hervorzaubern wollen. Da gibt es niemals Hindernisse, keine Grenzen. Zum Beispiel Eugen und Max aus der körpereigenen Gesichtsfalterei. In Blaumann und mit Absaugschlauch machen die beiden Jagd auf intelligente Tagescremes von Magret Astor, modellieren Krähenfüße mit symmetrischer Akkuratesse und sorgen pflichtbewußt für die planmäßige Austrocknung der weiblichen Epidermis. Aber schon springen die Missfits behende raus aus dem Drillich, rein in die Trachtenschuhe und geben die ultimativ letzte und komischste Geierwally.

»Jetzt oder nie/ wir können immer/ aber müssen nie« swingt es zum Abschied von der Bühne. Mit dem weisen Rat alter Leute, Männer müsse man frisch verzehren, verabschieden sich die Missfits von ihrem »wunderbaren Publikum«. Mit ihrem Auditorium sind die beiden etwas eigen. Aber wenn Sie sich anständig benehmen, sich zutrauen, an der richtigen Stelle zu lachen und hin und wieder ein nachdenkliches Gesicht machen können, sind sie in der UFA herzlich willkommen. Klaudia Brunst

Im großen Saal der UFA-Fabrik bis 24. 11., mi. bis so., jeweils 20 Uhr

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