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Zaire: Angst vor einem Bürgerkrieg

Auch fern der Hauptstadt Kinshasa, in Kipushi, regt sich der Widerstand gegen den von Staatspräsident Mobuto eingesetzten Premier Mungu Diaka/ Internationaler Druck von EG und USA auf Mobuto wächst  ■ Aus Kipushi Bettina Gaus

Auf den ersten Blick wirkt die zairische Stadt Kipushi freundlich, friedlich, ein bißchen verschlafen. Doch der Schein trügt. Die Hauptstadt Kinshasa, in der politische Konflikte zu blutigen Auseinandersetzungen werden, liegt zwar Tausende von Kilometern entfernt — doch selbst hier in diesem stillen Ort unmittelbar an der Grenze zu Sambia sind die Auswirkungen zu spüren.

Nur wenige Minuten, nachdem belgische Soldaten hier eingetroffen sind, um Ausländer zu evakuieren, laufen Hunderte von Demonstranten die Hauptstraße entlang: „Demission, demission! Abdankung, Abdankung!“ lautet die Parole. Widerstand gegen Mungul Diaka, der von Staatspräsident Mobutu am Mittwoch abend zum Premierminister ernannt worden ist, regt sich auch in Kipushi.

In Zaire gibt es jetzt zwei Regierungen: Die von Mobutus Gnaden — und die des Oppositionsbündnisses mit Etienne Tshisekedi an der Spitze. Seit der Versuch einer Zusammenarbeit zwischen dem Präsidenten und seinem vielleicht schärfsten Kritiker der letzten Jahre gescheitert ist, wächst in Zaire die Angst vor einem Bürgerkrieg.

Bürgerkrieg? Dazu gehören Waffen auf beiden Seiten. Aber die Opposition verfügt — auch Berichten ausländischer Beobachter zufolge — offenbar nicht über militärische Ausrüstung. Nicht einmal einen Schwarzmarkt scheint es zu geben. Wird es also eher zu Massakern als zu Kämpfen kommen?

„Wir haben die ganze Nacht kaum geschlafen, denn das Militär hat uns gewarnt, daß es unruhig werden könnte“, sagt ein deutscher Geschäftsmann in Kupushi. Das Militär? Soldaten sind es doch gewesen, die für die Plünderungen in Kinshasa und vor einigen Tagen auch in der Millionenstadt Lumbumbashi verantwortlich gewesen sind. Sechzehn Tote und einhundert bis zweihundert Schwerverletzte haben Mitarbeiter der Hilfsorganisation Médecins sans Frontières (Ärzte ohne Grenzen, MSF) in den Krankenhäusern gezählt. Viele Opfer dürften Kliniken überhaupt nicht gar nicht erreicht haben. Die tatsächliche Zahl der Toten dürfte weitaus höher liegen. „Die ganze Notaufnahme ist voller Blut“, sagt Marc Arbyn von MSF, „und kein Arzt ist zur Arbeit gekommen.“

Präsident Mobutu wird von vielen Ausländern, darunter auch Diplomaten, verdächtigt, die Lunte selbst in Brand gesteckt zu haben: „Der treibt eine Politik der verbrannten Erde," so ein belgischer Unternehmer.

Sollte die Armee jetzt in Kipushi die Rolle der Ordnungsmacht übernehmen? Die Gesichter der Soldaten versteinern, als die Demonstranten an ihnen vorüberziehen. Unruhe macht sich unter den Ausländern breit, die sich jetzt entscheiden, ob sie bleiben oder das Land doch verlassen wollen. Viele können sich zur Flucht nicht entschließen — ihre Existenz steht auf dem Spiel.

Die meisten der hier lebenden Europäer sind nicht mit einem Zeitvertrag einer ausländischen Firma oder einer Hilfsorganisation in der Tasche nach Zaire gekommen, sondern leben dort seit Jahrzehnten als selbständige Unternehmer. Weit mehr als die Hälfte derjenigen, die jetzt von belgischen Soldaten gefragt werden, ob sie evakuiert zu werden wünschen, wollen zumindest vorläufig noch in Kipushi ausharren. Aber der Anblick der Demonstranten läßt manche in ihrem Entschluß wankend werden. Als der belgische Truppenkonvoi die Stadt bereits verlassen hat, wird er plötzlich von einem Landrover eingeholt. Drei weitere Männer haben sich ganz kurzfristig doch zur Abreise entschlossen.

Überall am Straßenrand beobachten Männer, Frauen und Kinder den Exodus der Ausländer aus ihrem Land. Was geht in ihnen vor? Da sehr viele Firmen und der größte Teil des Import-Exportgeschäftes in ausländischer Hand sind, wird sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlechtern. Und schon jetzt geht kaum noch etwas in der Shaba-Provinz, die mit ihren Kupferbergwerken zu den reichsten Gegenden Zaires gehört.

Viele Minen sind in schlechtem Zustand. In Kamoto wird seit einem Jahr nicht mehr produziert — ein Teil des Bergwerkes ist eingestürzt. Bis vor wenigen Tagen wurde in Kipushi noch Kupfer gefördert. Aber jetzt wird diese Mine bestreikt: Die Arbeiter wollen höhere Löhne, um die Inflation ausgleichen zu können — und sie fordern Demokratie in Zaire. Bis dahin aber scheint es noch ein weiter Weg zu sein.

Unterdessen hat die Europäische Gemeinschaft Präsident Mobuto in einem Brief mit politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen gedroht, falls er keine Regierungen einsetzt, die auf breite Zustimmung stößt. Auch die USA erhöhen den Druck auf Mobuto: Das US-Außenministerium forderte gestern die Ernennung eines Oppositionellen zum Regierungschef, der auf „breite Unterstützung“ zählen könne.

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