Schwammberger war bei Massaker dabei

■ Prozeß gegen SS-Offizier Schwammberger fortgesetzt

Stuttgart (ap) — Der mutmaßliche NS-Verbrecher Josef Schwammberger soll als Kommandant des Ghettos in der polnischen Stadt Przemysl mehrfach ganze Gruppen jüdischer Häftlinge vor einem Massengrab erschossen haben. Der 72jährige Siegfried Kellermann aus Kaiserslautern sagte am Freitag vor dem Stuttgarter Landgericht, er sei als Kutscher Schwammbergers vom Spätherbst 1943 bis Anfang 1944 mehrere Male Augenzeuge derartiger Vorfälle gewesen. Der frühere SS-Oberscharführer habe auch Kranke, Frauen und Kinder ermordet und seinen Schäferhund Prinz auf Ghettoinsassen gehetzt. Der Prozeß soll am Mittwoch fortgesetzt werden. Dem heute 79jährigen Schwammberger wird zur Last gelegt, zwischen 1942 und 1944 als Kommandant von Zwangsarbeiterlagern in Polen mindestens 43 Juden eigenhändig getötet und Beihilfe zur Ermordung von mindestens 3.374 Juden geleistet zu haben.

Der in Przemysl geborene Kellermann berichtete am 27. Tag der Hauptverhandlung, er habe als Kutscher oft kranke oder in Verstecken entdeckte Juden zum Massengrab auf dem Ghettogelände fahren müssen. Schwammberger habe die Häftlinge immer wieder gruppenweise erschossen: „Zack, zack, zack, zack, hat er sie mit der Pistole ausgeschossen. Mal waren es sieben oder acht, mal waren es drei, mal waren es zwölf,“ erinnerte sich der Zeuge.

Er habe auch beobachtet, daß Schwammberger einmal am Zaun des Ghettos eine ältere Frau erschossen habe, die beim Schwarzhandel ein Brot eingetauscht habe. Ein anderes Mal habe der SS-Offizier fünf oder sechs junge Mitglieder des Judenrats, die mit Bauarbeiten beschäftigt waren, an eine Mauer gestellt und erschosssen. Auf dem Kasernenhof des Ghettos habe Schwammberger einen Mann umgebracht, obwohl dieser ihn zuvor um Gnade gebeten habe. Mehrmals habe der Ghettokommandant auch seinen abgerichteten Hund auf Menschen losgelassen. Ein 18jähriges Mädchen sei von dem Tier zerfleischt worden. Ob sie überlebt habe, könne er nicht sagen.

Kellermann erzählte weiter, daß er auch den Auftrag gehabt habe, Lebensmittel zu kaufen und zum Wohnhaus von Schwammberger zu transportieren. Mehrmals sei er dabei auch Schwammberger damals vierjährigem Sohn Horsti begegnet. Das Kind habe einmal zu ihm gesgt: „Was machst du denn hier? Du mußt ins Ghetto gehen und arbeiten, bis du vernichtet bist.“ Die verschiedenen Selektionen und „Judenrein“-Aktionen im Ghetto habe er nur überlebt, weil er sich mit seiner Familie ab Februar 1944 bis zur Befreiung Przemysls durch die Russen fast sieben Monate lang in einem Bunker unter dem Keller eines Wohnhauses versteckt gehalten habe, sagte der Zeuge. Unter Ausschluß der Öffentlichkeit hatte das Gericht am Vormittag die behandelnde Ärztin Schwammbergers über den Gesundheitszustand des Angeklagten befragt.