Die Auferstehung der alten Männer

Der FC Bayern begann sein Comeback mit einem 3:0-Heimsieg gegen Borussia Mönchengladbach Schuld daran sind Majestät Beckenbauer, Adjudant Rummenigge und Schriftsteller Schumacher  ■ Aus München Sepp Fischer

Den Teufel kann man mit Weihwasser jagen, Gladbacher und Münchner Fußballer derzeit mit der Bundesliga-Tabelle. Ein grauseliger Anblick — Borussias und Bayerns Balltreter sind tief gesunken, schwere Gewichte hängen an den Rändern ihrer durch und durch sportlichen Seelen. Viele trauern mit: Am Samstag kamen 36.000 mit Wehmut im Herzen zum Kondolenzbesuch. Und sie tauschten Erinnerungen aus.

Wie schön war es doch in den siebziger Jahren: Da zelebrierten die Macht am Niederrhein und der knödelgestählte Weißbier-Meister aus dem Süden zweimal im Jahr Höhepunkte und Glanzstunden in der Kickerszene. Der Bökelberg bebte und München leuchtete nicht nur unter Flutlicht. Aber nicht ein einziges Mal in den letzten 26 Jahren gewann die Borussia bei den Bayern.

Dabei blieb es. Hasenfüßig verlor Gladbach mit 0:3, erstarrte in Ehrfucht vor Schriftsteller Toni Schumacher (Anpfiff) im FCB-Tor und vor Majestät Franz plus Adjudant Kalle: Beide Ex-Bayern thronten auf der Ehrentribüne, versprachen dem Volk tolle Spiele und drohten, ihren Nachfolgern bei Nichterfüllung das Brot zu nehmen. „Wer nicht spurt, der fliegt, der kommt weg“, verkündete Kaiser Beckenbauer in den letzten, bewegten Tagen.

Große Worte. Schumachers Toni ließ zupackende Taten folgen. 21.Minute: Dis dahin hatten die roten Bayern die wie zu besten Zeiten ganz in weiß bedressten Borussen vor den Kasten von Kamps gescheucht. Die Bajuwaren hatten mehrmals den Tooorschrei auf den Lippen, doch der vermaledeite Ball verirrte sich stets irgendwo zwischen trockengelegtem Wassergraben und Tribünendach — aber nie fand er den Weg in den benetzten Alukasten. Da faßt Thomas Eichin plötzlich Mut und stiefelt auf Tonis Tor zu. Ihr Einsatz, Herr Schumacher: Dazwischenwerfen und klären. Gesagt, getan — Jubel allerorten. „Toni, du bist ein Fußballgott“ (eine kleine Anleihe bei Reporter Zimmermann und Torwart Turek selig).

Schumachers Aktion war das Fanal, die Handlung als Ankündigung von etwas Neuem (Brockhaus). Die Bayern-Wende! Da ist sie: Bruno Labbadia, der nach Tonis Comeback den Posten als Publikumsliebling nur noch teilzeitig bekleidet, zieht ab — Tor? Nein, der frischvermählte Uwe Kamps fällt schneller als ein Schlagbaum, wehrt ab. Die Kugel hüpft über's Münchner Rasengrün, da rauscht Mazinho heran wie ein ICE und watschelt den Ball über die Kalklinie zwischen den Pfosten. Kamps ist nach drei gegentorlosen Spielen erstmals wieder geschlagen.

Da wird er grantig: Drei Minuten nach dem Teffer packt er Mazinho an den Hinterpfosten — Elfer! Effe? Nein, der unbeliebteste Balltreter zwischen Kopenhagen und Berchtesgaden verzichtet zugunsten von Olaf, dem kleinen Kapitän. Doch Thon scheitert am reaktionsschnellen Kamps im Mönchengladbacher Tor. Stefan Effenbergs Auftritt sollte noch kommen: In der 56.Minute schaufelt er das Leder in den Kasten seiner bökelbergischen Ex-Kameraden. 2:0 — Effe, der Triumphator.

Davor mimte er noch die beleidigte Leberwurst: Gegen Ende der ersten Halbzeit haut Stefan, der gute Mensch, den Ball ins Aus, als Kastenmeier verletzt am Boden liegt. Einwurf für Gladbach. Fairerweise müßte nun der Ball in den Reihen der Münchner landen. Denkste! Norbert Meier wirft ihn zu einem Mitspieler. Da nutzt Effenberg die nächste Gelegenheit, den Spielverderber Meier umzunieten. Rache macht ein kleines Recht zu großem Unrecht (altes Sprichwort). Freistoß für Gladbach.

Nach dem zweiten Tor legte sich der FC Bayern kurzzeitig auf die faule Haut, ohne aber Gefahr zu laufen, das Ergebnis würde sich zu seinen Ungunsten verändern. „De Glabbacher san im Sturm vogelwild“, sagte ein Herr im Lodenmantel treffend. Gladbachs Coach Gelsdorf war geknickt: „Wir waren für die Bayern der richtige Aufbaugegner.“ Kollege Sören Lerby rang sich zu der tiefschürfenden Erkenntnis durch, daß es „nun nach oben geht“.

Das glauben auch die Fans. Einer meinte vollmundig nach dem Blick auf die Tabelle: „Was? Nur noch sechs Punkte hinter Frankfurt. Wir packen's noch.“ Das geht aber schnell: Bald haben wir ihn wieder, den guten, alten, haßgeliebten FC Größenwahn.

FC Bayern München: Schumacher - Ziege - Babbel, Kreuzer, Berthold - Schwabl, Effenberg, Thon, Bender - Labbadia, Mazinho.

Borussia Mönchengladbach: Kamps - Fach - Klinkert, Stadler (71. Wynhoff) - Kastenmaier, Eichin, Meier, Schneider, Neun - Max, Salolu.

Zuschauer: 36.000, Tore: 1:0 Mazinho (34.), 2:0 Effenberg (56.), 3:0 Mazinho (80.).