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»Die Konferenz wird ein Anfang sein«

■ taz-Umfrage unter jüdischen und arabischen Projekten sowie einzelnen Persönlichkeiten: Welche Hoffnungen und Erwartungen haben Sie im Hinblick auf die heute beginnende Nahostkonferenz?/ Vorsichtiger Optimismus auf beiden Seiten

Das Arabische Buch: Die Nahostkonferenz ist eine Chance, um die verhärteten und starren Fronten aufzubrechen und Bewegung in die Geschichte zu bringen. Eine Lösung im Nahostkonflikt ist sicher nicht kurzfristig zu erwarten, aber längerfristig. Mein Grundtenor ist auf jeden Fall positiv.

Mosche Waks, Demokratische Liste in der Jüdischen Gemeinde: Auf der Konferenz wird es sicherlich zunächst einmal darum gehen, ob man eine gemeinsame Sprache findet. Im Vorfeld wird bisher beiderseits auf verhärtete Positionen gemacht, weil man aus taktischen Gründen den Verhandlungsspielraum vergrößern will. Ansonsten mache ich nicht in Prophetie. Ich denke, sie wird sicher nur ein Anfang sein von noch vielen langen und schwierigen Gesprächen. Aber solange man miteinander redet, wird vielleicht auch die Bereitschaft sinken, aufeinander zu schießen. Mein Zweckoptimismus ist, daß das der Beginn eines Dialogs ist. Wir haben ja auch schon gesehen, daß selbst bei unüberbrückbar erscheinenden Konflikten wie mit den Ägyptern am Ende doch ein Modus Vivendi gefunden werden konnte. Ganz problematisch wird allerdings bestimmt der Status von Jerusalem. Da sehe ich ganz harte Fronten aufeinanderprallen.

Palästinabüro im Thommy-Weißbecker-Haus: Wichtig ist, daß die arabischen Staaten in Madrid klarmachen — wenn es geht, mit Unterstützung der Weltmächte —, daß die Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten rückgängig gemacht und die weitere Kolonialisierung und Enteignung palästinensischen Bodens gestoppt werden muß. Es muß ein ganz konkretes Ergebnis dieser Konferenz sein, daß mit dem Abzug aus den besetzten Gebieten begonnen wird. Wahrscheinlich aber wird es dazu nicht kommen. Solange der israelische Wohnungsminister Sharon die Politik führt und moderatere Positionen wie die von Arbeiterpartei- Chef Perez oder anderen nicht zum Zug kommen, ist das eher unwahrscheinlich. Dennoch ist diese Konferenz ein Anfang. Daß sie stattfindet, ist auch ein Erfolg der Politik der PLO, die bei den letzten Sitzungen ihres Nationalrates nicht die Kontinuität des bewaffneten Kampfes, sondern die friedlichen Mittel ihres Kampfes im Interesse der palästinensischen Bevölkerung betont hat. Denn wenn es zum Bürgerkrieg kommt, wird das viele Opfer auf beiden Seiten fordern. Deswegen finde ich es korrekt und human von der PLO, daß sie sagt, sie will es erst mal so versuchen. Die Frage der Nahostkonferenz ist allerdings schon runde 15 Jahre alt, und daß es jetzt dazu kommt, ist ein Erfolg des internationalen Drucks. An den Machtspielen in der Welt kommt man halt nicht vorbei. Man kann lange gerechte Forderungen aufstellen, aber damit sind sie noch lange nicht durchgesetzt. Das ist ein langwieriger Kampf. Die Völker der Dritten Welt führen Kämpfe, die gehen 20, 30 Jahre und länger.

Igal Avidan, Berlin-Korrespondent der israelischen Tageszeitung 'Chadashot‘: Es ist wie 1977: Als der damalige ägyptische Präsident Saddat in Israel landete, brauchten wir eine Weile, um diesen historischen Augenblick zu realisieren. Ein Tag vor der Friedenskonferenz ist das Bild von Shamir an einem Tisch mit seinen Erzfeinden noch nicht vorstellbar. Auch wenn ich dieses Bild sehe, werde ich Zeit brauchen, um es richtig zu begreifen.

Arabischer Frauenladen Al Dah: Wir hoffen, daß es klappt mit einer Friedenslösung, aber wir können nicht recht daran glauben. Wegen des Verhaltens der Israelis: Sie akzeptieren die Palästinenser nicht. Ich wäre sehr überrascht, wenn aus den Gesprächen etwas herauskommt. Daß die Konferenz überhaupt stattfindet, ist aber tatsächlich ein Anfang. Dennoch bin ich sehr pessimistisch, auch aufgrund der bisherigen Geschichte des Palästinakonfliktes.

Alisa Fuss, Präsidentin der Liga für Menschenrechte: Daß die Konferenz überhaupt stattfindet, daß man sich überhaupt zusammensetzt, ist schon ein großer Erfolg. Für diejenigen, die jahrelang dafür demonstriert haben, für das israelische Volk, das in Frieden leben möchte, und für die Palästinenser. Natürlich wird das ein dorniger Weg, viele Steine und Knüppel müssen noch aus dem Weg geräumt werden. Aber selbst wenn die Konferenz völlig scheitern sollte, ist ein Anfang gemacht worden. Umfrage: usche

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