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Vieh und Indianer zum Frühstück

Eastwood-Western in bester Qualität: „Rawhide“ läuft morgens bei Pro 7  ■ Von Martin Compart

Der Prolo unter den Westernhelden war immer der Cowboy, der als Lohnsklave eine Viehherde durch das rauhe Land trieb. Dies geschah alles, damit ein paar reiche Rancher ihr Frischfleisch für viel Geld an die großen Städte des Ostens verhökern konnten. Daß es so wenig „Cattletrail-Western“ gibt, zeigt, wie sehr dieses Genre in der bürgerlichen Ideologie verhaftet ist. Es gibt Dutzende von Familien- und Landbesitzer-Westernserien à la Bonanza oder Big Valley, aber nur eine Viehtreiberserie, nämlich Rawhide, die bei der deutschen Erstausstrahlung durch die ARD den Titel Cowboys trug und jetzt alsTausend Meilen Staub bei Pro 7 endlich wieder ausgegraben wurde. Endlich, weil es nämlich die mit Abstand beste Westernserie ist, die vom Fernsehen je produziert wurde. Von den zwischen 1959 und 1966 gedrehten 114 Episoden zeigt der Sender von Montag bis Freitag 80 Folgen des Klassikers. Zweimal täglich ist der Westernkult für Frühaufsteher in der Glotze jeweils um 7.15 und um 10.30 Uhr auf Pro 7 zu erleben.

Natürlich war Rawhide von Howard Hawks Red Riverbeeinflußt. Aber mehr noch war sie als Gegenstück zur gleichzeitig laufenden, erfolgreicheren Serie Wagon Train gedacht, die das hohe Lied eines kleinbürgerlichen Siedlertrecks sang. Rawhide wurde mehr als jede andere Serie in location gedreht, was für mörderische Produktionsbedingungen und einen 14 Stunden-Tag sorgte. Von Anfang an legte man Wert darauf, möglichst authentische Geschichten zu erzählen. Alte Trailtagebücher und Dokumente wurden durchforscht, um der Serie ein realistisches Konzept zu verpassen. Kein Wunder, daß sie ziemlich hart wurde; dagegen wirkte die vielgescholtene Brutalität von High Chaparral weltfremd und aufgesetzt. Die Serie spielt kurz nach Ende des Sezessionskriegs und erzählt die Abenteuer eines Viehtriebs von San Antionio, Texas, bis Sedatia, Kansas. Die Geschichte eines Trecks, der niemals ankam.

Hauptperson ist der eisenharte Herdenboß Gil Favor, überzeugend gespielt von Eric Fleming, der kurz nach seinem Ausscheiden vor der letzten Season bei den Dreharbeiten zu dem Film High Jungle in Peru ertrunken ist. Zweite Hauptperson ist die rechte Hand von Favor, der aufbrausende Draufgänger Rowdy Yates, gespielt vom damaligen Newcomer Clint Eastwood. Eastwood schaute sich bei Fleming nicht nur dessen Stoizismus für spätere Rollen ab, sondern sah auch gerne den Regisseuren und Technikern über die Schulter. Bei den Dreharbeiten lernte er Ted Post kennen, mit dem er später Callahan drehte, und sicher haben die TV-Erfahrungen dazu geführt, daß der Regisseur Eastwood später nie Budget oder Drehtage überzieht. Um diese beiden und einige ständigen Nebenfiguren wie der bekannte schlechte Koch, dreht sich alles. Produzent Charles M. Warren, der zuvor mit Rauchende Colts den sogenannten „adult western“ ins Fernsehen brachte: „In dieser Zeit herrschte ein ausgesprochener Fleischmangel, und das Vieh war lebenswichtig. Unser dramaturgisches Konzept war: Die Rinder haben immer Vorrang. Wenn zum Beispiel Indianer zehn Rinder für die Erlaubnis, daß der Treck durch ihr Land ziehen darf, haben wollten, gab Favor sie ihnen. Aber nachts schoß er die Indianer über den Haufen und holte sich das Vieh zurück.“

Nach Flemings Ausscheiden wurde Rawhide noch ein weiteres Jahr gedreht. Mit Eastwood als Boß und in Farbe. Während die Schwarzweiß-Folgen in ihren besten Momenten etwas Neorealistisches haben, wirkten die Farbfolgen, als ob man sie in einem Aquarium gedreht hätte. Am 5.Januar 1966 wurde die Serie, sie war inzwischen auf Platz 40 der meistgesehenen Programme abgerutscht, vorzeitig beendet, und Frankie Lane schmetterte zum letzten Mal den einprägsamen Titelsong. Clint Eastwood, der während der Drehpausen in Europa bereits die Dollar- Filme gedreht hatte, kassierte von CBS eine Abfindung von 119.000 Dollar und war froh, daß er sich jetzt ganz auf seine Filmkarriere konzentrieren konnte.

Westernfans und Serienfreaks haben Rawhide längst zur Kultserie werden lassen, und es gibt nur eine andere Serie, die bei ihnen ähnlichen Status genießt: Am Fuß der blauen Berge — höchste Zeit, daß ein Sender wieder die Abenteuer von Slim Sherman und Jess Harper zeigt.

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