: Spanien — historische Brücke zwischen Okzident und Orient
■ Die Wahl der spanischen Hauptstadt Madrid als Austragungsort der Friedensverhandlungen zwischen Juden und Arabern ist von hoher symbolischer Bedeutung
„Das Land Spanien breitete seine Arme nach Süden aus, und der Süden stürzte in seine Arme. Der Orient vermählte sich mit dem Okzident und brachte ihm als Morgengabe eine neue, kaum hundertjährige Kultur mit, die eingepflanzt in den bunten Gärten Südspaniens eine herrliche Blütezeit erlebte.“ Das schrieb Emil Bernhard, Übersetzer von Jehuda Halevi, des jüdischen Dichters, von den Arabern Hassan al-Halavi genannt, der im 11. Jahrhundert in Spanien unter islamischer Herrschaft lebte und ein Anhänger des persischen Theosophen al-Ghasali war. Spanien war stets in vieler Hinsicht die Brücke zwischen Orient und Okzident. Daher ist die Wahl Madrids als Ort der Verhandlungen zwischen Juden und Arabern von großer symbolischer Bedeutung.
Achtzig Jahre nach dem Tod des Propheten, also im Jahre 711, überschritt der muslimische Heerführer Tariq Ibn Siad, nach dem Gibraltar (Berg des Tariq) genannt wird, die Meeresenge und betrat Andalus, das Andalusia der Lateiner. Aus der durstigen Wüste kommend, staunten die Araber angesichts der herrlichen Fluren Südspaniens. „Da es emportauchte aus des Meeres Flut“, rief ein arabischer Dichter beim Anblick der andalusischen Küste aus, „ward es wie eine Perle aus der Muschel gehoben. Hier ist die Heimat mein. Wehe mir, wenn ich je sie verlassen müßte!“ In wenigen Jahrzehnten entstand in Südspanien eine Hochkultur ohnegleichen. Nach der Regierung der Omajjaden, vor allem der fünfzigjährigen des Abdar-Rachman III. (912-961), der in der Millionenstadt Cordoba herrschte, war die arabische Herrschaft zwar durch Bürgerkriege in viele kleine Fürstentümer zerfallen. Die Kunst, Dichtung und Wissenschaften blühten aber weiter. Gerade die Kleinstaaterei diente dem kulturellen Glanz, denn viele Emire, die zu schwach waren, durch kriegerische Taten zu glänzen, suchten den Ruhm als Förderer der Künste. Neben der Dichtung entfalteten sich Philosophie, Theologie, Mystik und Architektur überall im Lande, in den Städten Cordoba, Sevilla, Toledo, Valencia, Almeria und Malaga. Das muslimische Spanien brachte Männer wie den Philosophen Averos, den Mystiker Ibn Arabi, den Geschichtsphilosophen Ibn Chaldun hervor, deren Werke für den Höhepunkt der islamischen Kultur stehen.
Religiöse Toleranz unter arabischer Herrschaft
Von Spanien aus erhellten Araber mit ihren Übersetzungen der antiken Philosophie der Griechen die Dunkelheit des abendländischen Mittelalters. Der auf der Philosophie Aristoteles basierende „Averosismus“ wurde zu einer theologischen Schule in den Universitäten des Abendlandes. Und die Werke des Persers Avesina wurden zur Grundlage der Medizin und Philosophie in den Hauptstädten der Christenheit. Auch das jüdische Geistesleben erfuhr im muslimischen Spanien eine der glücklichsten Perioden der Diaspora. Unter der arabisch-maurischen Herrschaft, in der religiöse Toleranz wie nirgendwo in der damaligen Welt ausgeübt wurde — sieht man von einer kurzen Periode der fanatischen Almohaden ab —, entstand eine fruchtbare Symbiose von arabischer und jüdischer Kultur.
Für diese Symbiose stehen der Philosoph und Arzt Maimonides, der Dichter Jehuda Halevi oder der Gelehrte Salomon Ben Gabirol, der Ibn Gabirul der Araber. Erst mit der Rückeroberung, der Reconquista durch die Christen, die mit dem Fall von Granada, der letzten islamischen Bastion, im Jahre 1492 abgeschlossen wurde, begann erneut die christliche Verfolgung der Juden. Viele von ihnen mußten in den Maghreb oder ins Osmanische Reich fliehen.
Angesichts der fundamentalistischen Eskapaden unserer Zeit spricht so mancher vom „nachwachsenden Mittelalter“ (Günter Grass). Doch der Fundamentalismus ist ein Kind der Moderne und hat mit der weltweiten Barbarei unserer Tage viel mehr zu tun als mit dem einstigen Geist von Bagdad oder Cordoba. Ob der Geist der Toleranz in Madrid noch einmal zu neuem Leben erweckt werden kann, ist mehr als zweifelhaft. Denn der fundamentalistische Ungeist ist nicht nur in Teheran zu Hause. Ahmad Taheri
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen