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Chinas große Dame

■ Die 21jährige Xie Jun wurde Schach-Weltmeisterin — die erste nicht-sowjetische seit 42 Jahren

Berlin (taz) — Fünf Stunden lang wehrte sich die Georgierin Maja Tschiburdanidse, Schach-Weltmeisterin seit 1978, erbittert gegen den Verlust ihres Titels, doch schließlich konnte sie nicht verhindern, daß sich Xie Jun aus China beim Wettstreit in Manila zur neuen Weltmeisterin aufschwang. Nach dem Remis in der 15. Partie — 16 Partien waren angesetzt — stand der 8,5:6,5-Sieg der 21jährigen Studentin und damit das Ende einer 42jährigen sowjetischen Hegemonie im Frauenschach fest.

Im Alter von sieben Jahren entdeckte Xie Jun im Haus ihrer Großeltern einige Schachbücher — gut versteckt, da unter der Herrschaft Mao Tse-Tungs das Schachspiel wegen seiner monarchistischen Grundhaltung streng verboten war. Nach dem Sturz der „Viererbande“ wurde jedoch auch das königliche Spiel wieder salonfähig, und mit zehn Jahren gewann Xie Jun die Meisterschaft von Peking.

Dies allerdings in der chinesischen Spielart, die komplizierter und von schnellwechselnden taktischen Manövern geprägt ist. Ihre Stärke war neben der Aggressivität ihre phänomenale Willensstärke und die Fähigkeit, sich völlig zu verausgaben. So mußte sie einmal wegen totaler Erschöpfung in einem Krankenhaus behandelt werden. Ihr Trainer Wang Bijun überzeugte die geniale Dame, daß im westlichen Schach mehr Ruhm und Geld zu holen sei, die Umstellung gelang bestens und der Sieg über Tschiburdanidse ließ sie nun zu einem nationalen Idol in China werden.

Nächstes Ziel der neuen Weltmeisterin ist der Einbruch in die Männerwelt des Schach. Ebenso wie die Georgierinnen, die Schwedin Pia Cramling und die drei Polgar- Schwestern aus Ungarn, die sich weigern, bei Frauenturnieren anzutreten, weil das „reine Zeitverschwendung“ sei, gedenkt sie künftig bei den großen Turnieren mitzuspielen. Der jugoslawische Großmeister Ljubomir Ljubojevic sieht die Entwicklung mit Genugtuung: „Ich glaube, daß ihr Triumph, ebenso wie der meteoritenhafte Fortschritt des Inders Viswanathan Anand, sehr gut für das Schach ist, denn er öffnet uns die Türen nach Asien.“ Matti

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