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Wilde Maus vibriert wie Trabi

■ Der diesjährige Freimarkt setzt auf Nostalgie, nicht auf High-Tech

Das Mädchen vor dem „Teufelsrad“ hatte schon ganz recht. Zunächst fällt es gar nicht so sehr auf, aber nach einer längeren Begehung des Freimarktes verstärkt sich der Eindruck: Der 956. Freimarkt ist im Vergleich mit seinem Vorgänger „altmodisch“. Die junge Dame war nicht abgeneigt, ihr sauer zusammengespartes Taschengeld auf der Bürgerweide zu lassen, „aber die Achterbahn hat ja nicht einmal einen Looping“.

Das soll sie auch in diesem Jahr gar nicht, wenn wir dem Marktmeister Wolfgang Ahrens glauben wollen. Der diesjährige Freimarkt steht nämlich unter einem Motto und das heißt „Nostalgie“. Was darunter genau zu verstehen ist, verdeutlicht eine Fahrt mit der „Wilden Maus“ auf grausame Weise. Die Holzkonstruktion aus den sechziger Jahren bebt und vibriert unter den Trabi-ähnlichen Gondeln, als wolle sie jeden Moment aus dem Leim gehen. „Alles TÜV-geprüft“, versichert Ahrens, also die albernen „Sicherheits“-Stricke auch.

Wie kommt es zu einem Nostalgie-Freimarkt? Haben die Schausteller einfach ihre besten Pferde im Stall gelassen oder gar woanders im Einsatz? Der Marktmeister weist das weit von sich. Erstens reagiere er mit seiner Auswahl auf den breiten Publikumsgeschmack. „Anfang der achziger Jahre waren Kettenkarussells total out, und jetzt brummt der Laden wieder.“ Zweitens sei es Marktpolitik, immer mal wieder etwas Neues anzubieten. Und da in diesem Jahr die Fahrgeschäfte-Hersteller nichts Sensationelles auf den Markt gebracht haben, ist das Neue halt auch das Alte.

Daß die Publikumsresonanz etwas nachgelassen hat, liegt für den Marktmeister nicht am „familienfreundlichen“ Konzept, sondern schlicht am Wetter. Zu kalt sei es, etwas Schmuddelwetter würde dem Geschäft sogar gut tun, glaubt er. „Die Bremer lieben das“. Für 1992 verspricht er einen neuen, alten Trend. Dann wird es genau anders herumgehen, Hi Tech wird den Markt beherrschen. Das Publikum will es wahrscheinlich so. J.F.

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