Reisekrimis

■ Golfkrieg und Kotzbrocken / Gerald Seymour: "Schwarze Geschäfte" / Robert Wiener: "Live aus Bagdad" / James Ellroy: "Stadt der Teufel"

GOLFKRIEGUNDKOTZBROCKEN

Für die Polit-Thriller-Autoren war der Golfkrieg natürlich ein gefundenes Fressen. Mit dem Ende des Kalten Krieges hatten die meisten von ihnen verdammte Schwierigkeiten, noch halbwegs realistische Themen für ihre Romane zu finden, da kamen Saddam und Bush gerade recht. Wir können uns also schon mal auf die Operation Krimi-Sturm einstellen. Einer der ersten, der einen Golf- Thriller abgeliefert hat, ist der Engländer Gerald Seymour. Seine Geschichte Schwarze Geschäfte (Condition Black) spielt in den letzten Monaten vor der irakischen Invasion in Kuwait. Der FBI- Agent Bill Erlich sucht die Mörder seines Freundes und wird irgendwie in den Sumpf aus wirtschaftlichen Interessen, Machtpolitik und Kriegsvorbereitung hineingerissen. Autor Seymour hatte mit seinem Buch Großes im Sinn. Im Vorwort beschreibt er, worauf es ihm ankam: „Diese Geschichte berichtet über die verschwendeten Monate, auch über die vielen, die Augen und Ohren verschlossen haben, und die, welche sich von Dummheit, Eigennutz und Habgier leiten ließen. Und sie berichtet über die wenigen Mutigen und ihre Kassandrarufe, die ungehört verhallten.“ Nobel, nobel. Nun ist der Thriller jedoch so holprig geschrieben und die Geschichte so kompliziert gestrickt, daß sich Seymour immer wieder verheddert. Spätestens nach hundert der knapp 400 Seiten wird zur Gewißheit: Der Mann hat keine Ahnung, wovon er schreibt. (Hestia)

Weitaus spannender, wenn auch kein Krimi, ist Robert Wieners Buch Live aus Bagdad. Untertitel: „Die Hintergrund-Story über die CNN-Berichterstattung während des Golfkriegs“. Robert Wiener leitete von Mitte 1990 bis zum Ende des Golfkriegs das CNN-Studio in Bagdad. Er beschreibt detailliert, wie der Nachrichtensender „Cable News Network“ nach dem Ausbruch des Golfkonflikts sein Studio in der irakischen Hauptstadt aufbaute und wie die Voraussetzungen für die spektakulären Reportagen und Liveberichte geschaffen wurden, die in dem Wahnsinnsbericht aus dem Zimmer 906 des Al-Rashid gipfelten: Bernard Shaw, John Holliman und Peter Arnett berichteten fast siebzehn Stunden live, unzensiert und nahezu weltweit mitten aus Bagdad, während es draußen amerikanische Bomben regnete. (Heyne)

Der Amerikaner James Ellroy hat mit dem Golfkrieg nicht das geringste zu tun. Es ist sogar fraglich, ob er ihn überhaupt wahrgenommen hat. Der Mann ist ein echter Kotzbrocken. Er wird nicht müde zu behaupten, er sei der größte Krimischriftsteller aller Zeiten. In Interviews läßt er mit schöner Regelmäßigkeit seinen Größenwahn von der Leine: „Wenn ich ein Diktator wäre, wäre ich Hitler!“ Nun gut, das ist seine geschmacklose Masche, sich zu verkaufen, und man könnte ihn einfach als Schwätzer abtun, wenn er nicht so verflucht gute Bücher schreiben würde. Mit Stadt der Teufel (L.A. Confidential) präsentiert Ellroy jetzt, nach Die schwarze Dalieh und Blutschatten den dritten Band seines auf vier Romane konzipierten düsteren Epos über die kriminelle Vergangenheit der Stadt der Engel. Die Geschichte spielt in den 50er Jahren, die Hauptakteure sind drei Polizisten. Aber es sind keine Good guys, die gibt es bei Ellroy nicht, jeder hat Dreck und Blut am Stecken. Die Cops sind entweder vom Ehrgeiz zerfressen, durch und durch korrupt oder einfach nur gemeingefährliche Psychopathen. Ellroys Los Angeles ist die Hölle. Der Roman zählt über 500 Seiten, und er ist schnell. Zum Teil wird im Telegramm-Stil erzählt, abgehackt und auf das nötigste beschränkt. Oft werden Ereignisse nur an Hand von Zeitungsüberschriften dargestellt. Dieses Tempo hält Ellroy durch, und er ist keine Sekunde langweilig. Stadt der Teufel ist der Krimi des Jahres. (Ullstein)