Zutreffend verfälschte Informationen

■ Mit den Unterlagen des Verfassungsschutzes soll in Brandenburg der designierte Datenschutzbeauftragte gekippt werden/ Über den Bündnis-90-Kandidaten kursiert ein Dossier

Berlin (taz) — Im Brandenburger Verfassungsschutzskandal bleiben die Hauptbeteiligten noch manche Antwort schuldig. Wie berichtet, hat sich im ampelregierten Potsdam die FDP-Politikerin Rosemarie Fuchs via Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz mit Unterlagen über den ehemaligen Stuttgarter Landtagsabgeordneten Thilo Weichert munitionieren lassen, um dessen Wahl zum Datenschutzbeauftragten zu verhindern. Nachdem die Köln-Potsdamer Kooperation Mitte vergangener Woche aufgeflogen war, behauptete das Bundesamt am 28. Oktober ausdrücklich, der FDP-Frau seien ausschließlich „offen zugängliche“ Unterlagen übermittelt worden. Diese hätten aus „Zeitungsartikeln, zum Teil aus eindeutigen öffentlichen Äußerungen Herrn W.s ... und einer zusammenfassenden Darstellung der Veröffentlichungen“ bestanden.

Neben 25 Seiten mit Zeitungsberichten, die das Bundesamt am 15. Oktober an die FDP-Politikerin übermittelte, kursiert in Potsdam aber auch ein dreiseitiges Personendossier, das am 14. Oktober in Köln erstellt wurde und die Kernaussage beinhaltet: „Zu Weichert liegen umfangreiche Erkenntnisse über linksextremistische Bestrebungen vor.“

Thilo Weichert, Mitarbeiter der Landtagsfraktion Bündnis 90/Grüne in Sachsen und Vize des gemeinsamen Ausschusses der Neuländer für ein Stasiakten-Gesetz, wurde danach „zuerst 1982 als Freiburger Kontaktperson von regionalen Trainingsgruppen und Trainingskollektiven für das Training gewaltfreier Aktionen“ bekannt. Der Vorwurf des Extremismus: Diese Gruppen, die nach Angaben der Verfassungsschützer später in die „Föderation gewaltfreier Gruppen“ (FöGa) eingingen, lehnten zwar die Verletzung von Personen zur Durchsetzung ihrer Ziele ab, „befürworteten aber zur Zerstörung demokratisch-rechtsstaatlicher Einrichtungen den Einsatz nicht-personenverletzender Gewalt“ — wie Sabotage, Nötigung und Sachbeschädigung.

Weichert wird in dem Dossier vorgeworfen, sich mehrfach in verschiedenen Zeitungen entweder als Autor ('Arbeiterkampf‘, 'Graßwurzelrevolution‘, 'Geheim‘ u.a.) oder als Zitierter ('Welt‘) zu seinen extremistischen Bestrebungen bekannt zu haben. Seine Vorstellungen vom gewaltfreien Widerstand habe der 36jährige Jurist mehrfach in die Tat umgesetzt: bei der Blockade des US- Stützpunktes in Großengstingen (1982), dem Eindringen in das US- Militärgelände Immeringen (1983) und einer „Blockade“ der Justizvollzugsanstalt in Freiburg (1987). Für diese Aktionen war der Beschuldigte zu einer Geldstrafe von insgesamt 40 Tagessätzen verurteilt worden. Außerdem wirft das Bundesamt Weichert vor, er habe bei seinen Veröffentlichungen zu den Themen Verfassungs- oder Datenschutz mit zahlreichen Extremisten „zusammengearbeitet“.

Der designierte Brandenburger Datenschutzbeauftragte forderte nun den Kölner Verfassungsschutzchef Werthebach auf, ihm umgehend alle über ihn erfaßten Daten zugänglich zu machen und den Zweck der Speicherung offenzulegen. Nicht entschuldbar sei, so Weichert zu Werthebach, „daß ihr Amt, eventuell gar auf ihre Veranlassung, mit datenschutzwidrigen Mitteln versucht, meine Bestellung als Datenschutzbeauftragter zu hintertreiben“. Die von Rosemarie Fuchs aufgrund der Kölner Unterlagen erhobenen Vorwürfe wies er als „teils zutreffende, teils verfälschte und teils absolut falsche Informationen“ zurück. Wolfgang Gast