Meyerbeer

■ Eine Ausstellung in Dahlem

Als an der Deutschen Oper Berlin vor gut vier Jahren Giacomo Meyerbeers Hugenotten Premiere hatten, wurde das zum grandiosen Ereignis. Selten erlebte man eine derart emotionsgeladene Atmosphäre im Publikum. So mag es vielleicht in den besten Tagen dieses Genres zugegangen sein.

Meyerbeers Geburtstag am 5. September 1791 ist nun für die Musikabteilung der Staatsbibliothek ein Anlaß, ihn zu würdigen, zumal sie über den Nachlaß des Komponisten verfügt.

Heinz und Gudrun Becker haben in der Sonderausstellungshalle der Staatlichen Museen in Dahlem eine mit Leihgaben angereicherte informative und übersichtliche Präsentation der Archivalien zusammengestellt. Zu sehen Gemälde, Autographen, Notenblätter, Bühnenbildentwürfe und -modelle, Plakate und Fotos.

Wer war dieser Meyerbeer? Geboren wurde er in Tasdorf bei Berlin, dem heutigen Rüdersdorf, als Jakob Liebmann Meyer Beer. Er wuchs in Berlin als Sohn wohlhabender Eltern auf und debütierte im Alter von zehn Jahren als Pianist mit Mozarts d-Moll-Konzert. Er trat in die Berliner Singakademie ein und studierte bei Zelter Komposition. Ab 1810 ist Meyerbeer ständig auf Reisen — unterwegs in Deutschland, Italien und Frankreich. Wohnungen bezieht er schließlich in Paris und Berlin.

Sein Auftreten in Paris 1831 mit Robert le Diable faszinierte und schockierte zugleich. Ein noch größerer Erfolg wurde einige Jahre später Les Huguenots. In Berlin wird er preußischer Generalmusikdirektor. Zu dieser Zeit ist er bereits einer der erfolgreichsten Opernkomponisten, der mit Orden und Ehrungen aller Art geradezu überhäuft wird. Er ist Liebling der vornehmen Gesellschaft, eine noble Erscheinung, ein Ästhet und Kosmopolit par excellence. Aber Erfolg wurde immer schon von Neidern begleitet. Und die schlimmsten Anfeindungen kommen nicht selten von seiten vermeintlicher Freunde, beispielsweise Heinrich Heine oder Richard Wagner.

Während Wagner noch um Anerkennung kämpfte, erntete der finanziell sorglos lebende Kollege Meyerbeer Applaus. Und obwohl sich Meyerbeer stark macht für Wagners Opern, handelt er sich dafür später übelste Denunziationen ein. In Oper und Drama (1851) liest man besipielsweise das Verdikt, daß der von Meyerbeers Musik hervorgebrachte Effekt »Wirkung ohne Ursache« sei. In Das Judentum in der Musik (1850) ist es antisemitische Hetze, deren Vokabular sich kaum von dem des Dritten Reiches unterscheidet. Wagner mutmaßt, wer in eine Meyerbeer-Oper gehe, der suche nicht das dramatische Kunstwerk, sondern sehe im Operntheater einen Unterhaltungsort, den man aus Langeweile aufsucht.

Die Polemik trifft oft genug den Absender selbst, denn wieviel Klischee und Rhetorik begegnet einem in Wagners Opern mit ihren »Trumpfschlüssen« und deren »großmäuligem Ton« (Bloch)! Meyerbeers Musik kritisierte man als eine des Scheins, deren Sinnlichkeit zu sehr Sache äußerer Reize sei. Oskar Bie sprach in diesem Zusammenhang von einem »konsequenten künstlerischen Kapitalismus, der seine moralischen Defekte nicht mehr wahrhaben will«.

Damit ist stets auch der Vorwurf des Eklektizismus verbunden. Aber was ist die Epoche des Historismus denn anderes als eklektizistische Aneignung um Umwandlung von Vergangenem! Alles schien damals verfügbar. Man machte es sich bequem in den hohl gewordenen Kitschmythologien.

Meyerbeer war vielleicht einer der populärsten Vertreter des historistischen Zeitgeistes. Die »Erfindung« der Grand Opéra, auf die sich der Komponist so genial verstand, dieser wahren Monstrosität, sie paßte mit ihrer Pracht und Maßlosigkeit in das neunzehnte Jahrhundert. Zu guter Letzt warf man ihm von nationalistischer Seite seine kosmopolitische Haltung in der Musik vor, die stilistisch gewissermaßen europäisch gedacht war: italienische Melodik, französischer Rhythmus und deutsche Harmonie.

Die erwähnte Hugenotten-Aufführung an der Deutschen Oper bewies jedoch, wie sehr Meyerbeer auch heute noch ankommt. Die Ausstellung über den »Weltbürger der Musik« macht Appetit auf dessen Opern. Denn beim Hören erfährt man immer noch am meisten über Giacomo Meyerbeer. Nora Eckert

Staatliche Museen Dahlem, Lansstraße 8, bis 5. Januar 1992, Eintritt frei, Katalog DM 29,-