: „Springt aus dem Fenster“
■ „Rückkehrflüchtlinge“ fordern Bleiberecht in Hessen
Frankfurt/Main (taz) — „Auf unsere Frage, was wir denn bei einem Angriff der Skinheads tun sollten, erklärte uns ein Polizist, wir sollten uns in ein Zimmer zurückziehen — und bei Feuer könnten wir ja aus dem Fenster springen.“ In einem Offenen Brief an die hessische Sozialministerin Iris Blaul (Die Grünen) berichten sogenannte Rückflüchtlinge aus Ilmenau/Thüringen von den „unerträglichen Zuständen“ in den neuen Bundesländern. Sie waren wegen der Überfüllung der Gemeinschaftsunterkunft (HGU) in Schwalbach von Flüchtlingshilfegruppen und dem Asta der Universität im Studentenhaus der Frankfurter Hochschule notdürftig untergebracht worden.
Im Heim für AsylbewerberInnen in Ilmenau hätten Polizisten nach einer Belagerung des Heims durch Skinheads „wegen personeller Unterbesetzung“ keine Wachen abstellen können. Und selbst ein Sicherheitsschloß für das Tor konnte „wegen fehlender finanzieller Mittel“ nicht angeschafft werden: „Wir verließen aus Angst das Haus nicht mehr. Das sich die Sozialarbeiterin und der Hausmeister weigerten, Einkäufe für uns zu erledigen, hatten wir kaum noch Nahrungsmittel.“
Von ähnlichen Zuständen berichten „Rückflüchtlinge“, die in Gera/Thüringen untergebracht waren. Dort wurden fünf AsylbewerberInnen zusammengeschlagen: „Wir erstatteten Strafanzeige. Über den Fortgang der Ermittlungen ist uns nichts bekannt geworden.“
Die „Rückflüchtlinge“ aus Ilmenau und Gera und auch alle anderen, inzwischen in der HGU in Schwalbach aufgenommenen AsylbewerberInnen aus dem Osten fordern in ihrem Offenen Brief an die zuständige Ministerin ein schriftlich garantiertes Bleiberecht in Hessen und einen „sofortigen Transferstopp in die Länder der Ex-DDR“.
In ihrem Offenen Brief schreiben die Flüchtlinge weiter, daß ihnen klar sei, daß inzwischen auch in den alten Bundesländern die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte zugenommen hätten: „Der Unterschied liegt für uns darin, daß wir in Westdeutschland nicht mit dem Rassismus und der Feindseligkeit der gesamten Bevölkerung konfrontiert sind und daß wir hier Unterstützung durch Gruppen und Einzelpersonen erfahren.“ Die Auffassung, daß in den östlichen Bundesländern die gesamte Bevölkerung „rassistisch und feindselig“ sei, wird von der Sprecherin des Sozialministeriums Susanne Nöcker zurückgewiesen. In der Sache verwies Nöcker auf die Rechtslage: „Ein garantiertes Bleiberecht für Flüchtlinge kann es nicht geben.“ Klaus-Peter Klingelschmitt
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