„Ein Meisterwerk der Ungesetzlichkeit“

■ Gespräch mit dem „Grünen Amtsrichter“ und Europaabgeordneten Gianfranco Amendola über Umweltschutz in Rom: Die Ratsherren im Kapitol respektieren nicht einmal die kargsten Vorschriften

taz: Vor fünf Jahren haben Sie, als Amtsrichter, die Sperrung der Innenstadt wegen Smog- und Abgasüberlastung durchgesetzt. Inzwischen regiert im römischen Kapitol ein vordem hochgelobter sozialistischer „Macher“, doch das Problem scheint noch immer ungelöst, ist eher noch schlimmer. Vergangene Woche sollte wegen der Luftverschmutzung der Plan der „alternativen Kennzeichen“ greifen, wonach an geraden Monatstagen nur Autos mit gerader Kennzeichen-Endziffer, an ungeraden nur die anderen fahren dürfen. Doch der Verkehr floß wie eh und je. Alles umsonst also?

Amendola: Wir sind wieder einmal an der ökologischen Endstation angelangt. Unvermeidlich und unangegriffen steigen in Rom jeden Winter die von den Autos verursachten Giftgaswerte weit über die sowieso nur moderaten gesetzlich zugelassenen Grenzwerte. Der Unterschied zu früher ist, daß wir früher keine genauen Meßwerte hatten, einfach, weil nicht gemessen wurde, inzwischen aber diese Werte vorliegen, und seither wissen wir, wie schlimm es ist.

Und was tut die Stadt dagegen?

Das Gesetz sieht für solche Fälle die unverzügliche Anwendung von Notmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Einwohner vor. Unabhängig davon verpflichtet das Gesetz die Region (vergleichbar einem deutschen Bundesland — d.A.) zur Ausarbeitung eines Zehnjahresplans zur ökologischen Sanierung. Doch die Regionalregierung tut so, als ginge sie all das gar nichts an. Und die Stadtverwaltung ihrerseits hat eine „Direktive zum Schutz der Luft-Qualität“ verabschiedet, die ein Muster an Ungesetzlichkeit und Inkompetenz ist. Nicht nur, weil eine bloße „Direktive“ niemanden bindet, sondern vor allem, weil darin auch kaum Konkretes zu finden ist — und weil der Plan im klaren Gegensatz zum Gesetz steht. Die im Gesetz bindend als „unüberschreitbar“ vorgeschriebenen Grenzwerte für Kohlenmonoxyd werden in der „Direktive“ zu reinen „Alarmwerten“, ohne daß darauf zwingend eine Intervention vorgeschrieben wäre. Und sie sind noch dazu auf zwei unzureichende Parameter gestützt, die den alles entscheidenden Wert — das Mittel über acht Stunden hinweg — völlig ausklammern. Und dabei sehen die „Direktivenwerte“ auch noch die Absurdität vor, daß die Höchstwerte nur dann Alarm auslösen, wenn sie gleichzeitig an mindestens fünf der neun Meßpunkte in der Stadt erreicht werden.

Klappt denn wenigstens dann der Einsatz abgashindernder Maßnahmen?

Das Bezeichnende ist, daß es den Ratsherren nicht einmal gelingt, diese eigene, sowieso schon unwahrscheinlich karge Vorschrift zu respektieren. Das selbstgesteckte Alarmniveau wurde bereits diverse Male erreicht, aber der Bürgermeister hat einen Teufel getan. Die vorgeschriebenen Straßenschließungen und Halteverbote sowie die ebenfalls unabdingbaren Umleitungen des Verkehrs über zügig durchfahrbare Verkehrsadern anzuordnen.

Immerhin gab es dann die Vorschrift der „alternativen Kennzeichen“.

Ein weiterer Schildbürgerstreich. Denn als dieser Plan befohlen wurde, wußten die Behörden nicht, was sie damit anfangen sollten. Obwohl es sich laut Gesetz und sogar auch laut Direktive um eine „Maßnahme zum Schutz der Gesundheit der Bürger“ handelte, hat sich das Rathaus beeilt, zu versichern, daß Verletzungen der Vorschrift lediglich Ordnungswidrigkeiten, aber keine Vergehen darstellen. Sie sind also vergleichbar mit unerlaubtem Parken, nicht mit einer Verletzung der Person. Außerdem gab es keinerlei umfassende Information der Bürger, wo und wann man nicht fahren darf.

Was müßte man nun also zuerst tun?

Die Idee der Verkehrs-Blockade ist schon richtig. Doch eine solche Maßnahme greift nur, wenn bei einer drastischen Reduzierung des Privatverkehrs gleichzeitig ein entsprechend hohes und effizientes Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln bereitsteht. Tatsächlich aber sind die Römer heute viel zu oft zum Rückgriff auf das eigene Auto gezwungen, weil sie keine Alternativen dazu haben. In Rom muß man also zuallererst das öffentliche Transportsystem reorganisieren, dann sind auch Maßnahmen zur Verkehrsreduzierung durchsetzbar. Andernfalls ist alles nur ein Schlag ins Wasser. Interview: Werner Raith