piwik no script img

Die Old Schmetterhands der Republik

■ Vor der ersten gesamtdeutschen Volleyball-Saison der Männer hoffen mehrere Teams auf den Titel Da Volleyball nicht finanziell lukrativ ist, scheiterten einige Bundesliga-Teams an der Geldhürde

Berlin (taz) — In unruhigen Gewässern schippert die erste gesamtdeutsche Bundesliga in ihre Premierensaison. Weder der letzte Westmeister Milbertshofen schickt ein Team in den Kampf um die Meisterschaft, noch kann der verblichene DDR- Meister SC (Dynamo) Berlin auf Punktejagd gehen. Beim Münchner Vorortverein Milbersthofen gingen schon bald nach der Meisterfeier die Lichter aus. Der Mann mit dem Geld im Verein meinte, die Handballabteilung sei wesentlich werbeträchtiger, weil mehr im TV zu bewundern. Mit Volleyball aber sei keine Mark zu machen. Ein Team wurde also Deutscher Meister und der Verein sagte: „Ihr interessiert uns nicht mehr, spielt woanders.“ Das ist so, als wenn Karlheinz Feldkamp mit dem 1.FC Kaiserslautern nach der letzten Meisterschaft aufs Arbeitsamt geschickt worden wäre.

Die Meister fanden woanders freundliche Aufnahme. So wechselten die Nationalspieler Jörg Berthold, Wolfgang Besenböck, Leif Anderson und Junior Mathias Häberlein samt Meistermacher Stelian Moculescu zum Aufsteiger Dachau, der dadurch zum Mitfavoriten wurde. Das ist natürlich auch der Moerser SC. Das Team um „Magic Schorsch“ Georg Grozer ist erster Anwärter auf den Titel. Sponsor Krivec hat ein Team der großen Namen zusammengekauft. Neben dem Ex- Ungarn stehen noch Chang-Cheng Liu (203 Länderspiele für China), Marek Knoflicek (80 Spiele für die CSFR), Mirko Culic (260 LS für Jugoslawien) und sechs deutsche Spieler mit zusammen 344 Länderspieleinsätzen auf dem Parkett.

Trainer Jürgen Wagner hat, nachdem er mit einer talentierten Hörder Frauschaft sang- und klanglos absteigen mußte, die Seiten gewechselt und konnte mit der Startruppe vom CJD Feuerbach den Titel gar nicht verpassen. Nun coacht der ehrgeizige Frauentrainer wahrscheinlich die größte Ansammlung begnadeter Volleyballspieler hierzulande. Ein anderes großes Team aus der Bundesliga gibt es ebenfalls nicht mehr. Der Chemiegigant Bayer schickte seine Leverkusener Volleyballer in die Provinz, weil er mit den Fußballern und dem Basketball-Team bereits absolute Topmannschaften hätte. Also wechselte der Stammsechser zum Zweitklässler Wuppertal und brachte als Einstand den Platz im Oberhaus mit. Trainiert wird der „Neuling“ von Spielertrainer Hee Wan Lee, dem besten Steller der Bundesliga.

Auch der VfB Friedrichshafen hofft auf die Play-Off-Runde. Um Auswahlspieler Michael Dornheim hat sich ein buntes Team versammelt mit Mister Volleyball, dem inzwischen 34jährigen Burkhard Sude und Jie Jiang, der 200 mal für China geschmettert hat. Anschluß nach oben will auch der Hamburger LSV halten. Sportlich ist das mit der jungen Mannschaft von Trainer Michael Mücke vielleicht sogar möglich, doch organisatorisch liegt beim sechsfachen deutschen Meister derzeit einiges im argen. Die für den HLSV gegründete GmbH mußte bereits Konkurs anmelden, so daß die Spieler ihr Gehalt derzeit vom Arbeitsamt beziehen. Doch „Mücke“ ist optimistisch und will mit seinem Team kämpfen.

Mit oben rein gehört eigentlich auch die Mannschaft von Post/TSC Berlin. Zwar ist das Team des Trainergespanns Schier/Tscharke nominell nur Aufsteiger, doch die Telecom als Hauptsponsor schüttete ihr Füllhorn kräftig. So konnten die aktuellen Nationalspieler Hecht und Dellnitz gehalten werden. Dazu kommt der zur Zeit noch verletzte David Schüler (210 LS). Sven Eggert (206 LS) ließ sich von seinen Wechselabsichten doch noch kurzfristig durch ein lukratives Angebot abbringen. Als Verstärkung in der Annahme wurde Konstantin „Kostja“ Burjakin verpflichtet, der 43 mal für die UdSSR spielte. Derzeit mangelt es den Postlern noch mächtig am nötigen Zusammenspiel.

Nicht vergessen darf man den verblichenen DDR-Meister SC Berlin. Der schloß sich kurzentschlossen dem SC Charlottenburg an. Bis auf Zuspieler Thomas Brall und Trainer Zbigniew Jasiukievic kommen alle Spieler aus dem „Osten“. Das gut eingespielte Team, versehen mit drei Nationalspielern (Triller, Hölzig und Reimann) und verstärkt durch Alexander Grigorenko (UdSSR), könnte am Ende durchaus unter den ersten Drei landen. Als halbprofessionelles Team kostet die Mannschaft den Verein läppische 650.000 Mark im Jahr. Ein Pool aus Kleinsponsoren und Spielbankgelder sollen für das finanzielle Polster sorgen.

Die beiden überlebenden DDR- Teams Schweriner SC und SC Leipzig konnten mangels Kleingeld auf dem gesamtdeutschen Transfermarkt nicht großartig zuschlagen. Bleibt abzuwarten, ob sie eine Überlebenschance haben. Aber mit der Bonner Oldietruppe von Fortuna, dem Krefelder SC („Moerser Kindergarten“) und dem VC Paderborn stehen noch drei weitere eher schwächer zu bewertende Vereine am Start. uzi

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen