: Rassismus im »Berliner Kaffeehaus«
■ Zwei Türken wurden im Lokal am Alex nicht bedient/ Anwalt: Verstoß gegen die Gewerbeordnung
Mitte. Ist Berlin noch eine Reise wert? Das fragt sich auch ein zur Zeit als Tourist in Berlin weilender junger Türke, der mit seinem in Berlin lebenden türkischen Freund am Dienstag mittag im »Berliner Kaffeehaus« am Alex Kaffee trinken wollte, jedoch nicht bedient wurde. Die Begründung des Kellners, »Hier werden keine Ausländer bedient«, wird von der Geschäftsführerin Herma Ulrich so nicht bestätigt, wohl aber, daß »die Ausländer, die uns aus der Hütchenspielerszene und vom Babystrich bekannt sind, generell nicht bedient werden«.
Aufgrund von Vorkommnissen mit Ausländern aus der letzten Zeit wurde in einigen Fällen vom Hausrecht Gebrauch gemacht. »Daß es dabei zu Ungerechtigkeiten kommen kann«, bedauert die Geschäftsführerin. Frau Lier, die Stellvertreterin, die einen der beiden Türken »eindeutig als Hütchenspieler« erkannt haben will, sah das als ausreichenden Grund an, die Bedienung zu verweigern. Der taz konnte sie nicht sagen, durch welche Merkmale sie einen solchen identifiziere: »Die sind sich ja alle so ähnlich.«
Die Geschäftsführung des Berliner Kaffeehauses, die sich durch die Ausländer bedroht fühlt, ist fest entschlossen, Ausländer, »die das Café nicht aufsuchen, um dort etwas zu verzehren«, aus ihren Räumen zu verbannen. Nach Frau Ulrichs Äußerungen komme es vor dem Lokal häufig zu Auseinandersetzungen und Polizeirazzien wegen der Hütchenspieler- und Babystrichszene.
Ein Ort für die »Ausländer zweiter Klasse« ist auch schon gefunden. Zwischen der »Moccabar« und der »Spezialitätenbar« befand sich früher ein kleiner Imbiß mit Straßenverkauf. Dieser Raum wird jetzt extra für die Kundschaft, denen im Berliner Kaffeehaus der Aufenthalt versagt wird, hergerichtet. »Tische, Stühle und Spielautomaten werden aufgestellt, Verzehrzwang besteht nicht«, so Frau Ulrich.
Für Herrn Schendel von der Gewerkschaft Nahrung Genuß Gaststätten ist das der erste derartige Fall. »Diese Bodenlosigkeit an Unverschämtheit ist ein Rückfall ins Dritte Reich, als das Sitzen auf Bänken für Juden verboten war.« Dieser Fall ist »reif für den Staatsanwalt«. Für Rechtsanwalt Matthias Zieger ist die Einrichtung dieses Gastraumes und das Aussperren von Ausländern ein »Verstoß gegen die Gewerbeordnung und das Verfassungsrecht«. Er rät den betroffenen türkischen Gästen, Anzeige bei der Gewerbeaufsicht mit Kopie an die Ausländerbeauftragte zu erstatten. wahn
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