: Wenn die Geschichte zur Waffe wird
■ In Kroatien muß sich Präsident Tudjman ultranationalistischer Kreise erwehren
Berlin (taz) — In der serbischen Propaganda werden die kroatischen Nationalgardisten gerne als „Ustascha“-Kämpfer apostrophiert, und der kroatische Präsident Franjo Tudjman, der einst in Titos Partisanenverbänden gegen die kroatische Republik von Hitlers Gnaden gekämpft hat, ist in Belgrad längst zum Führer einer neuen „Ustascha“-Republik gekürt. Wenn sich dann deutsche Spitzenpolitiker in der Auseinandersetzung um den jugoslawischen Krieg — mit guten Gründen — deutlicher als ihre Kollegen aus Großbritannien oder Frankreich auf die kroatische Seite schlagen, sehen tatsächlich viele Serben das Vierte Reich heraufziehen. Die Geschichte ist zu einer wichtigen Waffe in diesem Krieg geworden. Allein deshalb schon zeugt der Vorschlag von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, im Rahmen einer internationalen Streitmacht deutsche Soldaten nach Jugoslawien zu schicken, von politischer Kurzsicht.
Nun gibt es aber in Kroatien selbst Kräfte, die Wasser auf die Mühlen der serbischen Propaganda leiten. Sie tragen schwarze Uniformen, an deren Ärmeln die Buchstaben „HOS“ prangen, was für „Kroatische Befreiungsgemeinschaft“ steht, und auf dem Kragenspiegel steht oft ein großes U. U wie Ustascha, die Kampfverbände, die in Pavelics faschistischer kroatischer Republik (1941 bis 1944) einen hunderttausendfachen Mord an Serben, Roma und Juden beging.
Die HOS ist der militärische Arm der HSP, der „Kroatischen Partei des Rechts“, die von Dobroslav Paraga angeführt wird, der sich unter der kommunistischen Herrschaft als profilierter Kämpfer für die Menschenrechte einen Namen machte. Die neu gegründete HSP stellt sich bewußt in die Tradition. Unter dem gleichen Kürzel wurde vor 130 Jahren eine liberaldemokratische Partei gegründet, die 1929 verboten wurde und aus der sich in den dreißiger Jahren ein Flügel unter Pavelic abspaltete, der dann zum Kern der Ustascha-Bewegung wurde.
Paraga distanziert sich öffentlich von der Ustascha, doch über seinem Schreibtisch hängt eine Karte, auf der— wie zu Zeiten der Ustascha-Republik — auch Bosnien-Herzegowina und Teile Serbiens zu Kroatien gehören. Ante Dapic, Kommandant der HOS-Truppen, behauptet, daß seine Mannen nicht nur im kroatischen Ostslawonien kämpfen, sondern auch schon in Bosnien stehen. Die HOS gibt an, über 10.000 bewaffnete Kämpfer zu verfügen. Dies ist sicher reichlich übertrieben. Doch nimmt die Bedeutung der ultranationalistischen Truppen zu, je länger der Krieg dauert und je deutlicher sich zeigt, daß die kroatische Nationalgarde nicht fähig ist, das kroatische Territorium wirksam zu verteidigen. Auch der kroatische Präsident Franjo Tudjman, ein konservativer Nationalist, scheint nun die Gefahr erkannt zu haben, die von rechts heranwächst. Nachdem bei einer Auseinandersetzung zwischen kroatischen Nationalgardisten und einer Truppe Paragas ein HOS-Kämpfer getötet wurde, forderte er am Sonntag seinen Innenminister auf, „konkrete Maßnahmen zur Entwaffnung der paramilitärischen Gruppe zu ergreifen“. Thomas Schmid
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