: Feuchter Abschied vom Imperium
■ Der Tod Robert Maxwells, des wohl aggressivsten Unternehmers in der internationalen Medienbranche, ist noch ungeklärt. Der Mann, der aus ärmsten Verhältnissen zu gewaltigem Reichtum aufstieg, hinterläßt...
Feuchter Abschied vom Imperium Der Tod Robert Maxwells, des wohl aggressivsten Unternehmers in der internationalen Medienbranche, ist noch ungeklärt. Der Mann, der aus ärmsten Verhältnissen zu gewaltigem Reichtum aufstieg, hinterläßt ein hochverschuldetes Wirtschaftsimperium.
Sein Tod scheint eine Hommage an die Branche, in der er zu Geld und Macht gekommen war: Zunächst verschwunden von seiner Luxusyacht, nach einer aufwendigen Suchaktion tot aus den Fluten des Atlantiks vor Gran Canaria geborgen, gibt der tote Großverleger Robert Maxwell der Zunft zum Abschied ein neues Rätsel auf. Am Dienstag morgen um 4.25 Uhr war er zuletzt an Bord der „Lady Ghislaine“ gesehen und erst sieben Stunden später vermißt worden. Die unbekleidete Leiche wurde so weit weg von der Motoryacht gefunden, daß Maxwell wohl kurz nachdem er zuletzt gesehen wurde, von Bord gefallen sein muß. Die Erklärung Selbstmord wegen Schulden ist zwar naheliegend, aber dennoch unwahrscheinlich: Der 68jährige war im Laufe seines Lebens in weit unangenehmeren Situationen. „Wenn die Dinge nur halb so schlimm stünden, wie die Leute unbedingt glauben wollen, dann hätte ich mich schon längst mit einer Flasche Scotch und einer Pistole zurückgezogen“, sagte er Anfang der 70er Jahre, als er begann, sein verlorenes Presseimperium zurückzuerobern.
Der „Kapitalist mit dem sozialistischen Bewußtsein“ (Maxwell über Maxwell) und spätere Labour-Abgeordnete des britischen Unterhauses begann 1923 als Jan Ludvik Hoch sein Leben als Sohn eines jüdischen Hilfsarbeiters in dem bitterarmen Dorf Solotvino in Ruthenien — das nach den Versailler Verträgen von Ungarn an die Tschechoslowakei ging und nach dem Zweiten Weltkrieg der Ukraine zugeschlagen wurde. Aus Geldmangel mußte er mit zehn Jahren die Schule verlassen. 1939, mit 16 Jahren, schlug er sich nach Budapest durch, wo er von einer Untergrundbewegung angeworben wurde, die Freiwillige für den Aufbau einer tschechischen Armee suchte. Dort wurde er als Fluchthelfer schließlich geschnappt und kraft Notstandsgesetzen zum Tode verurteilt. Die französische Botschaft, die sich damals um die Interessen der Tschechoslowaken in Ungarn kümmerte, legte Protest gegen das Urteil ein, weshalb doch ein Prozeß anberaumt wurde. Auf dem Weg zum Gerichtsgebäude gelang es Maxwell, den Wachmann niederzuschlagen und nach Jugoslawien und Frankreich zu fliehen. Mit 17 kämpfte er in einer tschechischen Division gegen Hitlers Truppen, nach der Niederlage gelangte er an Bord eines britischen Zerstörers nach Liverpool, lernte Englisch und schaffte es 1944, in die britische Armee aufgenommen zu werden.
Der britischen Armee nützte er vor allem wegen seiner hervorragenden Sprachkenntnisse. So wurde er mit allerlei Geheimaufträgen beauftragt und reiste in den letzten Kriegsjahren unter verschiedenen Namen durch Europa. Seine Ehefrau Elisabeth Meynard, eine Französin aus großbürgerlichem Hause, heiratete ihn 1945 als Ivan du Maurier — zum Entsetzen ihrer Eltern, die trotz der Verleihung des Militärverdienstkreuzes nur zögerlich zur Teilnahme an der Hochzeit zu bewegen waren. Der Name Robert Maxwell blieb übrigens nur deshalb an ihm hängen, weil sich ein Pariser Bankier über die ständigen Änderungen der Kontovollmachten bei den Briten ärgerte.
Fortan bewahrheitete sich der Spruch, daß hinter jedem erfolgreichen Mann eine tüchtige Frau steht. Er bekam die Ehrendoktorwürden der Moskauer und der New Yorker Universität verliehen, Betty promovierte in Oxford und behütete die gemeinsamen Kinder. Als Robert seine politische Karriere bei der Labour Party begann, organisierte sie 1966 die Arbeit in seinem Wahlkreis. Sie assistierte ihm in den 80ern bei 'Pergamon Press‘ als Abteilungsleiterin. „Sie ist eine bemerkenswerte, sich ihrer eigenen Werte bewußte Frau, aber sie zieht es vor, in seinem Schatten zu leben“, schrieb Joe Haines in seiner Maxwell-Biographie 1988.
Das „sympathische Monster mit einem Hauch von Genie“ (eine von Maxwell geschaßte Mitarbeiterin) hat für seinen Aufstieg hart gearbeitet. Sein späteres Presseimperium baute er, der 1945-1947 Pressechef der Alliierten Kontrollkommission war, von Berlin aus auf. Der mittellose Flüchtling ohne Schulausbildung machte seine erste Million ausgerechnet mit einem Wissenschaftsverlag (s. u.). Maxwells Mahlzeiten waren Arbeitsessen, manchmal traf er sich zur Vorspeise mit Mitarbeitern, um die Hauptmahlzeit in einem benachbarten Raum mit Geschäftsfreunden einzunehmen. Sie alle mußten damit leben, daß auch am Tisch beständig hochmoderne Telefonapparate klingelten. Auch der Luxusliner „Lady Ghislaine“ war mit hochmoderner High-Tech vollgestopft. „RM“, wie der Medienzar in seinem Imperium gekürzelt wurde, ließ sich die frischen Seiten des 'Daily Mirror‘ täglich zufaxen.
In den letzten Jahren sprach er ab und zu von Pension — was ihm niemand geglaubt hat. Maxwell, seine Eltern und mehrere Geschwister wurden im KZ ermordet, soll in Jerusalem begraben werden. Das private Vermögen, geschätzt auf 3 1/2 Milliarden Mark, geht an die Pergamon Foundation, eine Stiftung, die Projekte in der medizinischen Forschung und im Bildungswesen unterstützt, zudem Juden und Araber, die sich für einen dauerhaften Frieden in Israel einsetzen. Donata Riedel
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