piwik no script img

Hörspiel — live

Es ist nichts passiert, jedenfalls nichts anderes als überall. Zuerst waren da die Nazis, und dann war da der Krieg. Das haben wir gemerkt, weil die Männer weg waren, auf einmal. Schüsse haben wir keine gehört, vielleicht die Martens, aber die sind schon tot. Das hat ja keiner gewußt. Das hat doch jeder hier gewußt im Dorf.

Thomas Heises Hörspiel nähert sich auf gewundenen Wegen der Vergangenheit. Die Wahrheit über die letzten Kriegstage in Sülstorf, einem Nest in der Nähe Schwerins, ist grausam, aber nicht sensationell.

Von heute aus windet sich der Text — Zeugenaussagen, Briefe, Akten — durch verschiedene Schichten der Verleugnung und Verklärung zurück bis zum April 1945. Auf der Bahnstation des Ortes hält ein Zug mit 6.000 Gefangenen, bewacht von der SS. In jedem Waggon hunderte Menschen zusammengepfercht, krank, fast verhungert. Jahre danach wird ein Massengrab gefunden. Keiner hat etwas gewußt im schweigenden Dorf. Erinnern ist anstrengende Arbeit, zu anstrengend für das DDR- Fernsehen, das 1984 die Arbeit an einem Fernsehspiel abbrach. Zu anstrengend auch für die Hörspielabteilung des Rundfunks, weshalb Schauspieler und Laien unentgeltlich im Tonstudio der Akademie der Künste die Texte sprachen. Schweigendes Dorf — ein Tonband aus dem Jahr 1984,20 Uhr Probebühne des Berliner Ensembles

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen