: KOSLOWSKIS GITTA PLAUDERT VOM SOFA
Obwohl Schaller und ich momentan ganz schön in der Krise sind und mittlerweile zuviele Themen meiden müssen, um nicht wieder sofort in den Clinch zu geraten, gibt es doch hin und wieder diese köstlichen Momente gemeinsamer Heiterkeit. Und was kann diese Momente so gut wie niemand gestalten? Richtig, das Fernsehn. Es war an dem Abend eigentlich so, daß Schaller gerade gesagt hatte, daß er sich vielleicht doch mal um die Wohnung kümmert, in die Biermann jetzt doch nicht einzieht, und daß er vielleicht gute Chancen hat, weil er ja quasi auch ein abgewickeltes West-Opfer ist, und jeder, der mich kennen würde, könnte das bestätigen — und ich säppe so auf der Fernbedienung rum, da geraten wir in eine Gesprächssendung, den allerorten als niveauvoll gelobten Club 2, in der der unvermeidliche Herr Kostolany, ein kettenrauchender österreichischer Schauspieler und Gastwirt, eine sexy Sexualpädagogin, eine schreibende Ärztin, eine beleidigte Schurnalistin, Maryam Sachs, die ein „Kußbuch“ verfaßte, ein männliches Model mit dem schönen Namen Ralph und noch ein aufgeblasener Bodybuilder — kurz, eine Runde von Karikaturen, wie man sie selten im wirklichen Leben so konzentriert zu sehen bekommt, und es ging — man glaubt es kaum — um die Frage, ob es schöner ist, wenn ein Mann schön ist, oder doch nicht. Frau Sachs sagte den anbetungswürdigen Satz: „Nicht jeder häßliche Mensch ist deswegen dumm“, während die Ärztin klagte, daß sich die Männer zu wenig unter den Armen waschen, da kam die beleidigte Schurnalistin in Fahrt und sagte: „Ja, und in der Sexualität machen sie auch alles falsch“ und vermutete noch, ob das vielleicht politische Hintergründe haben könnte, dann die Sexualpädagogin mit der Historie, daß früher der schmale Mund und heute der volle als Indiz für Sexappeal bei Männern gilt. „Nein“, sagt Frau Sachs, „Charisma muß er haben, schließlich ist Kohl auch nicht schön.“ Der schauspielernde Wirt bekennt, daß er nur Freundinnen hat, die keine Probleme mit Männern haben, da fährt die beleidigte Schurnalistin wie angestochen hoch und sagt, daß sie gar keine Probleme mit Männern hat, nur wären ihr die alle zu blöd und überhaupt: „Die Frauen fragt ja keiner.“ „Aber ich frag' Sie doch jetzt“, insistiert der überforderte Moderator, und dann Ralph, das Model: „Als schöner Mann hat man es auch sehr schwer“ (und Kostolany freut sich), aber irgendwer sei wie die Kaninchen: „Sie fallen von einem Extrem ins andere.“ Die Ärztin schlug dann vor, daß man Jungen mit Puppen spielen lassen sollte, und so ging das über Stunden... Schaller und ich haben lange nicht mehr so herzlich zusammen gelacht, und Schaller meint, das wäre fast so schön wie früher gewesen, als es noch anständiges DDR- Fernsehn gab, und dann zeigte er mir einen Spruch von Constantin Guys, dem berühmten Dandy: „Jeder Mensch, den nicht ein allzu großer Kummer niederdrückt und der sich trotzdem im Schoße der Menge langweilt, ist ein Dummkopf! Ein Dummkopf, und ich verachte ihn!“
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