piwik no script img

Verbot der KPdSU kein Denkverbot

■ Partei war vor allem Machtapparat, der die Menschen zu Statisten degradierte/ KPdSU betrachtete den Staat als ihr Eigentum — jetzt holt sich der Staat sein Eigentum zurück

Moskau (taz) — Am Vorabend des 74. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution verfügte Rußlands „Weißer Zar“ Boris Jelzin das endgülige Verbot der Kommunistischen Partei. Rachegelüste eines ehemaligen Underdogs? Zweifel an Jelzins Demokratiebekenntnis sind nicht unbegründet. Zumal Rußlands Präsident in den Nach-Augusttagen gezeigt hat, wie wenig frei auch er von autoritären Führungsallüren ist. Die Verfügung am Vorabend des Feiertages, den Rußland dieses Jahr wohl zum letzten Mal begeht, paßt in den Führungsstil des Volkshelden, dessen Erfolg auf der Verknüpfung von Machtinstinkt und symbolischer Politik beruht. Lenin schrieb, „Gebt uns eine Organisation von Revolutionären, und wir werden Rußland aus den Angeln heben“. Der Devise sind die Kommunisten treu geblieben. Im Umkehrverfahren heute beseitigt der ehemalige Apparatschik das, was nie eine Partei war, sondern ein staatlicher Machtapparat, der die Subjekte der Geschichte zu Statisten degradierte. Die Zwangskollektivierung lieferte das augenfälligste Beispiel. Sie diente der Zerschlagung potentieller politischer Unrast, war pure Machtsicherung, die als Wirtschaftsmechanismus verkauft wurde. Als Parteiarbeiter hat Jelzin die Rolle der Organisation von der Pike auf mitbekommen. Er weiß, welche harte Zeit Rußland bevorsteht und wie leicht sich das noch nicht emanzipierte Volk wieder Gleichheitsträumereien hingeben könnte. Das muß nicht unbedingt eine Neuauflage des Kommunismus sein. Aber die Partei, deren Strukturen noch bestehen, kann als Organisator fungieren. Ideologie diente ihr sowieso nur als Makulatur. Interessenkongruenzen zwischen ehemaligen Stalinisten und russischen Fundamentalisten treten vielerorts auf. Getarnte Parteizirkel, deren Führungsfiguren noch auf verantwortlichen Posten in Betrieben sitzen, gibt es in den meisten Großstädten des Landes. Ein Verbot der Partei ist daher konsequent und nicht mit einem Denkverbot gleichzusetzen. Utopische Heilsphantasien lassen sich in Rußland nie ausmerzen. Im Gegenteil verbotene Früchte schmecken gut, hier wie dort.

Dem Verdacht eines Denkverbotes wirkte Jelzin entgegen. Die Partei sei immer ein staatlicher Machtapparat gewesen. Ihm gelte dieses Dekret. Ihre Mitglieder, immerhin noch 15 Millionen, bräuchten kein Berufsverbot zu fürchten. Wer will, kann eine Neuauflage der KP gründen, dem steht nichts im Wege. Nur mit einem neuen Apparat. Insofern schafft Jelzin sogar gleiche Ausgangsbedingungen. Denn keine der neuen Parteien verfügt bisher über eine arbeitsfähige Infrastruktur. Und wenn er der alten Partei ihr Eigentum nimmt, ist auch das logisch. Die KPdSU hat den Staat immer als ihr Eigentum betrachtet. Jetzt holt sich der Staat sein Eigentum zurück.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen