piwik no script img

Der Moderator der Maßarbeit Gottes

Berlin (taz) — Peter Hahne, gerade zum „Redakteur im Studio“ in der ZDF-Nachrichtensendung heute befördert, ist ein Fundamentalist reinsten Wassers.

Eine Stunde und zehn Minuten ist Peter Hahne durch viele hohle Wortgassen, vom Tausendjährigen Reich bis zur Abtreibungspille RU 486, auf diesen einen Satz zugesteuert: „Alles außer Jesus ist Lüge!“ donnert er in korrektem Moderatorendeutsch ins Umhängemikrophon. Er hält sich im Zaum, will weder agitatorisch noch verzückt wirken. Nur selten breitet er die Arme aus, um die gespreizten Hände sofort wieder auf die blaubezwirnte Brust zurückfliegen zu lassen. „Wer ,No Future‘ über sein Leben schreibt, der hat sein Todesurteil schon unterschrieben“, läßt er weise die Binsen rauschen oder: „Was der Sauerstoff für die Lunge ist, das ist die Hoffnung für das Leben.“ Nein, jetzt kommt nicht die Wetterkarte, dies ist nicht die Abmoderation der Nachrichtensendung heute.

Dies ist der große Saal der „Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Berlin-Tempelhof“. Peter Hahne (39), bekannt als stets zupackend grinsendes Baby-Face des ZDF, predigt zum Thema „Etwas Festes braucht der Mensch“. Und es geht nicht um die Würze in der Suppe, sondern um die im Leben, gegen die Sinnleere in einer „atheistischen“ Stadt, wo „über 50 Prozent in keiner Kirche sind“ und die Begeisterung über den Mauerfall nach zwei Jahren abhanden zu kommen droht: „Wo bleibt die Freude darüber, daß das Brandenburger Tor nicht mehr zugemauert ist?“ Eingeladen sind alle die, „die ihr Leben auf ein neues Fundament stellen wollen und mit Jesus leben wollen.“ „Gott gibt Mut“ sind alle vier Termine an diesem Wochenende überschrieben, und die weiteren Themen lauten: „Gott kennt keine Grenzen“, „Allein geht man ein“, „Ende gut — alles gut“. Hahne, der „bekennende Christ“, d.h. erzkonservative Evangele, der sich auch bei jeder noch so irrwitzigen Katastrophe, bei jedem noch so blutigen Krieg jubilierend durch den Schirm in die Wohnstuben lehnt, hat gerade einen Karrieresprung hinter sich. Beim Sender ist der stets korrekt Verknotete, der sein journalistisches Handwerk bei der ARD (Europawelle Saar) lernte, zum „Redakteur im Studio“ aufgestiegen. In der Kirche wurde er Mitglied des nach rechts gerutschten „Rates der EKD“.

Vielleicht schießt Hahne deshalb am Anfang eigenwerbend über das Ziel hinaus, als er auf den Büchertisch mit seinen Werken hinweist, die sich mit der „Manipulation“ der Massenmedien, dem menschlichen „Leid“ und dem „Wert“ des Lebens befassen. „Dort vorn sind die Bücher nur zwischengelagert“, witzelt Hahne, „das Endlager ist bei ihnen zu Hause.“ Und es ist tatsächlich ziemlich giftmüllig, was beispielweise geschrieben steht in Hahnes 1986 erschienem Tagebuch passiert — notiert. Neben dem obligatorischen Dank an den Herrn, der dafür sorgt, daß seine Einbauschränke in die neue Wohnung passen („Maßarbeit Gottes“) und er auf der Autobahn keine Rehe totfährt, reichlich fundamentalistische Hetze gegen Friedensbewegte, Zivildienstleistende, liberale Pfarrer und berufstätige Frauen. Ihr Fett weg bekommen auch die Gewerkschaften („Massenaufmärsche bewegen nichts“), die Grünen („Neo-Marxismus und neuheidnische Naturmystik“) sowie der weichliche US-Präsident Jimmy Carter („Grundansatz zu schwärmerisch“). Viel Verständnis gibts aber für das Wehrmacht-Spektakel von Kohl und Reagan auf dem Bitburger Soldatenfriedhof, das „gesunde Heimat- und Nationalbewußtsein“ oder die in der Kritik stehende Nato. Zu ganz großer Form läuft der Moderator mit den glühenden Ohren aber in der Frage der Abtreibung auf: „Da gibt es politische Initiativen zum Schutz von Froschlaichtümpeln und Krötenwanderwegen; da wird jedes Biotop heiliggesprochen und die Humanisierung der Legehennenhaltung zum Glaubensbekenntnis erhoben — nur das ungeborene, wehrlose menschliche Leben im Mutterleib hat keine Lobby. Diese ganze Scheinheiligkeit stinkt doch zum Himmel! [...] Ich will aus der Geschichte lernen: Unser Volk darf nie wieder Frevel an menschlichem Leben üben, auch und gerade nicht an ungeborenem. Und würden die Wälder darüber sterben...“ kotte

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen