: Aufruf zur Bekämpfung von Intoleranz
■ Bundesweit wurde an diesem Aktionstag für Toleranz und gegen Gewalt demonstriert
Auch in anderen Städten demonstrierten an diesem bundesweiten Aktionstag Zehntausende von Bürgern. An einem Solidaritäts- und Schweigemarsch durch die Saarbrücker Innenstadt beteiligten sich rund 20.000 Menschen. Auf Transparenten wurden „Kulturelle Vielfalt und Toleranz“, „Stopp von Rassismus und Rechtsradikalismus“ und „Hände weg vom Asylrecht“ gefordert. In München folgten dem Demonstrationszug nach unterschiedlichen Angaben zwischen 4.000 (Polizei) und 10.000 (Veranstalter). Der Sprecher der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes, Oskar Neumann, sagte, die Väter des Grundgesetzes hätten gewußt, daß auch Deutsche früher flüchten mußten, um ihr Leben zu retten. Heute stellten Politiker dieses Grundrecht auf Asyl wieder in Frage.
In Niedersachsen demonstrierten in mehreren Städten rund 19.000 Bürger, davon in Göttingen 3.500, in Hannover 2.500. In Kiel und Köln gingen jeweils rund 5.000 Menschen auf die Straße, in Stuttgart und Mannheim beteiligten sich je rund 3.000, in Rostock wandten sich mehrere hundert Demonstranten gegen die jüngsten Ausschreitungen gegen Asylbewerber in der Region. In Gera gedachten einige hundert Menschen in einem Schweigemarsch zu den jüdischen Gräbern auf dem Ostfriedhof den jüdischen Opfern. Auch in Schwerin und Halle demonstrierten einige hundert.
In Frankfurt trafen sich etwa 2.000 Menschen zum Abschluß einer Kundgebung auf dem Römerberg. Sie waren angetreten, eine zwei Kilometer lange Menschenkette vom Jüdischen Friedhof am Börneplatz bis zu den Ausländerunterkünften im Bahnhofsviertel zu bilden. Nachdem sich dieses Unternehmen mangels Masse zuerst etwas schwerfällig angelassen hatte, reihten sich dann doch zahlreiche Passanten spontan ein.
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Baden- Württemberg, Siegfried Pommerenke, appellierte in Stuttgart an die Demonstrationsteilnehmer — von denen viele Aufnäher „Ich bin Ausländer“ trugen —, Intoleranz und Gewalt zu bekämpfen. Der Verfolgung von Menschen dürfe nicht tatenlos zugesehen werden, wie dies in der Reichspogromnacht 1938 geschehen sei. Die Erinnerung an diese Nacht müsse als „Mahnung und Verpflichtung zur Verteidigung von Menschenwürde, Freiheit und Demokratie“ wachgehalten werden.
Vielfach kritisierten Redner, daß die Ausländerfeindlichkeit auch das Ergebnis jahrelanger politischer Versäumnisse sei, da die Bevölkerung nicht genügend über die Hintergründe der Fluchtbewegungen unserer Zeit aufgeklärt worden sei. Eine Iranerin betonte in München, daß sie und ihre Landsleute nach Deutschland flüchteten, um ihr Leben zu retten, und nicht, um sich zu bereichern. Der tiefere Grund für die gegenwärtige Flüchtlingsbewegung sei die ungerechte Weltwirtschaftsordnung, von der reiche Länder wie Deutschland profitierten. In Mannheim wies eine Betriebsrätin darauf hin, daß an Arbeitsplatzverlusten nicht Ausländer und Asylbewerber schuld seien, sondern die internationalen Konzerne. taz/dpa
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