: Das läuft wie bei „Trimm Dich“
■ Gespräch mit Werner Gaede, Prof. für Werbekommunikation, über Sinn und Unsinn einer Werbekampagne gegen Ausländerfeindlichkeit
taz: Sind Sie dafür, daß Agenturen, die sonst für Brühwürfel werben, jetzt Sympathien für AusländerInnen zu wecken versuchen?
Gaede: Bei Profis, die wissen wie man Kommunikation macht, liegt die Sache in den richtigen Händen. Leute mit „nur“ gutem Willen haben vielleicht nicht diese Fähigkeiten.
Was kann eine solche Kampagne leisten? Kann man damit Veränderungen der Einstellung erzielen?
Das ist arg zu bezweifeln. Hier dreht es sich doch um Gefühle, Einstellungen. Die Werbung wird Andersdenkende bestätigen, die in der Mittelposition nachdenklich machen und Leute, die hassen, auf keinen Fall verändern. Nur die Schwankenden, kann man erreichen. Das ist wie in der politischen Werbung mit den Wechselwählern.
Die schönste Verpackung nützt nichts ohne Inhalt, hier ist doch erst einmal die Politik gefordert. Liegt der wahre Sinn der Kampagne in der Image-Werbung für ihre Macher?
Natürlich ist der Haß auf Ausländer nur zu verhindern, wenn die wirtschaftlichen und sozialen Ursachen verändert werden. Doch die Instrumente der Kommunikation/Werbung gehören im Verbund dazu, sollen Lösungen auf fruchtbaren Boden fallen. In einer Massengesellschaft haben Info-Kampagnen Sinn: Sie fassen zusammen, liefern Slogans. Zum Beispiel „Trimm Dich“. Bevor es den Ausdruck gab, haben mich manche Leute schief angeguckt, wenn ich im Wald herumlief. Seit der Kampagne sagen sie: Aha, der macht „Trimm Dich“! Wenn Werbung mit konkretem Verhalten gekoppelt ist, ist die Akzeptanz größer. Im Fall „Trimm Dich“ bekam etwas gesellschaftlich-sozialen Sinn. Einen Sinn, der gesellschaftlich anerkannt war. Aber ein schlechtes Produkt kann man auch nicht mit Werbung verkaufen. Regierung und staatliche Stellen müssen Lösungen anbieten.
Wie lange muß eine Kampagne laufen, um Effekte zu erzielen?
Unter einem halben Jahr bis zu einem Jahr passiert nix. Bis auf die, die sich speziell mit dem Thema beschäftigen, sehen's die meisten kaum. Man muß von den Gleichgültigen ausgehen. Die Wirkung hängt von der Stärke der Widerstände (Vorurteile, Vorwissen) ab. Auch auf die Zahl der Wiederholungen kommt es an, damit etwas gelernt wird, man wie in der Waschmittelwerbung „den Slogan singen kann“. Kreative Dinge wie die Idee, die so gut ist, daß man sie behält, sind entscheidend. Kennen Sie die Werbung für „Rocher“, die Süßigkeit? Den Slogan „Ich gebe mir die Kugel“, verwende ich seit ich ihn kenne. Oder man muß die Leute anpacken: Mittels Schock, ohne Tabus zu verletzen.
Wie gefällt Ihnen ein Anzeigenentwurf wie das Zeinab-Motiv (siehe Foto, die Red.)?
Vorwürflich, moralischer Unterricht. Das sind genau die Sprüche, die nicht helfen. Mit Moral motiviert man nicht. Konkrete Dinge, was und wie man etwas machen kann, sind gefragt, nicht Mitleid. Ermahnungen stoßen auf Ablehnung oder man erklärt sich nur theoretisch einverstanden. Wie bei den Steuern. Klar, daß jeder Steuern zahlen muß, aber wenn es dann um den einzelnen geht...
Und die „Armes Deutschland“- Reihe?
Wenn ich lese, „42 Jahre Demokratie, 1 Jahr Deutsche Einheit, eine Nacht Hoyerswerda, Armes Deutschland“ würde ich sagen: Auswandern, mit den Deutschen läuft immer dasselbe Schema ab. Das erzeugt nur schlechtes Gewissen. Wir alle miteinander sind „Menschen mit Herz“ ist Eiapopeia, ein ferner Wunsch, Utopie. Der Ansatz „Ausländer raus?“ vor dem Hintergrund der Weltkugel geht in die richtige Richtung. Eine kreative Idee, die sorgt, daß man darüber spricht.
Wie sieht Ihrer Ansicht nach eine sinnvolle Strategie aus?
Die kleine militante Gruppe im Kern wird sich so leicht nicht bekehren lassen. Erst müssen die vielen Sympathisanten gewonnen, aktiviert werden. Die brauchen Motivationen, gesellschaftlichen Zuspruch, Argumente. Man müßte sie psychologisch genau kennen, kommunikativ bearbeiten. Eine aufklärerische Kampagne liefert da zwar Argumente, hat aber meist den Nachteil der Langeweile. Die lesen die Leute, die ohnehin, der gleichen Meinung sind. Die Kommunikationsbarriere läßt sich wahrscheinlich eher durchdringen, wenn man in Zwischenstufen emotionaler an die Sache herangeht, zumindest ein Bild, ein Symbol behalten werden soll. Ein Stimmungsumschwung ist mit entsprechenden Taten der Regierung schrittweise möglich. Man muß sehen, daß etwas geschieht und es sinnvoll für mich selbst ist, aktiv teilzunehmen. Wie bei „Trimm Dich“. Interview: Sabine Jaspers
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