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Metal für AnfängerInnen

■ Massenpsychologische Phänomene bei den 2.000 Fans / Satanische Rituale

Wenn sich über zweitausend Menschen treffen, um sich eine der härtesten und schnellsten Bands der Metal-Szene anzuhören, dazu Bier trinken und wilde Veitstänze aufführen, liegt die Vermutung nicht allzu fern, daß da auch eine Menge zu Bruch gehen kann. Vielleicht sogar ein paar Köpfe. Denn sogenannte Headbanger, also Leute, die im Takt der Musik ihre vorzugsweise wuschel-bemähnten Häupter hin- und herschütteln, gab es beim Konzert der Kalifornier Slayer in der Stadthalle zu Hauf.

Überhaupt hatte der Gig der Metal-Titanen einige massenpsychologische Phänomene zu bieten. Denn ein Speed-Metal-Konzert ist längst nicht mehr das bloße Abspielen ruppiger Songs, sondern ein ausgeklügeltes und vor allem ritualisiertes Ereignis. Ausgeklügelt deshalb, weil Zufälle im Bühnengeschehen nicht mehr zugelassen werden. Stagediving, das Erklimmen der Bühne und waghsalsige Verlassen derselben mittels eines Hechtsprunges ist schon längst bei größeren Konzerten nicht mehr erlaubt. Also muß etwas anderes her. Im Fall von Slayer ist das die erhobene rechte Hand, deren kleiner Finger, Zeigefinger und Daumen in die Luft gereckt werden. Im mörderischen Takt der Musik wippen dann unzählige Finger über den Köpfen des Publikums, um den Satan zu vertreiben. Das wissen zwar die wenigsten, aber weil es viele tun, machen (fast) alle mit. Den musikalischen Satanismus hatten die vier Musiker vor Jahren eingeführt, um sich von anderen abzugrenzen.

Überhaupt hatte die Veranstaltung viel mit Gewaltdarstellungen zu tun. Das Quartett gab sich alle Mühe, hart und unerbittlich zu wirken, und die Fans machten es ihnen nach. Da gab es welche, die mehr als 90 Minuten das Gitarrenspiel der beiden Gitarristen Hanneman und King wild zuckend imitierten. Airplaying nennt sich das und kostet offensichtlich sehr viel Kraft.

Zu verstehen ist das alles sowieso nur, weil der amerikanischen Klopper-Kombo zugestanden wird, im Musik-Business eine eigene Kategorie darzustellen. Musikalisch sind die vier Verrückten leicht zu beschreiben. Tom Araya, Sänger und Bassist, brüllt langmähnig derbe Texte von Selbstmord, chemischer Kriegsführung und anderen Übelkeiten unter die Leute, während seine Gitarreros fingerkuppen- gefährdend ultra-schnelle Akkorde aus den Saiten schrabbeln. Über dem Ganzen thront in zwei Meter Höhe einsam Drummer Dave Lombardo, ein Irrwisch an seinem Instrument. Was der schmächtige Mann aus seiner Schießbude mit den beiden Fußmaschinen herausholt, ist an Geschwindigkeit und Präzision kaum zu überbieten. Dieses kollektive Rhythmus-Bombardement, das sogar mit einer bescheidenen Choreographie der Musiker ausgestattet ist, wird außerdem von einer höchst professionellen Light-Show umrahmt.

Slayer versteht sich als durchgeplante Gesamtkonzeption. So sagt Arya nicht einfach: „Jetzt spielen wir einen Lovesong“, sondern: „Ihr hört nun einen Slayer-Love-Song. Für die Fans bedeutet das: Gewaaaalt! By the way, selten so ein friedliches Metalkonzert gesehen. Cool J.F.

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