Der Alte und die Öllampe

■ Sehr klassisches Schattentheater beim Gamelan-Festival im Überseemuseum

Der dritte Abend des überraschend gut besuchten Gamelan Festivals im Lichthof des Überseemuseums konnte nicht so mit den Klängen der Bronzeinstrumente angefüllt werden, wie es angekündigt wurde, den ein Mitglied der Banjar Gruppe aus Berlin um den Leiter und Komponisten Paul Gutama Soegijo war verunglückt. Die fünf restlichen Musiker der Gruppe konnten nur einen Notauftritt absolvieren, und nach einer knappen halben Stunde bauten sie ihre Gongs, Gongspiele und Metallophone schon wieder ab. Die beiden Kompositionen von Gutama ließen deshalb nur erahnen, wie seine zeitgenössische Gamelanmusik sich von den auf diesem Festival vorherrschenden klassischen Spielweisen unterscheidet.

Das erste Stück „Bagatelle für vier Schlagzeuger“ wurden zudem nur auf Schlag- und Fellinstrumente gespielt, die aus verschiedenen Musiktraditionen stammen, und erinnerte eher an die komplizierten Schlagzeugsymphonien von Gruppen wie „Les Percussioniste de Straßbourg“. Das Stück „Danksagung“ wurde dann auf den traditionellen Gamelaninstrumenten gespielt, aber es blieb kaum Zeit, sich wirklich in diese zeitgenössische Spielart einzuhören.

Die Veranstalter des Festivals machten aus diesem angebrochenen Abend noch das Beste. Sie verdunkelten nach einer Umbaupause den Lichthof und ließen für den Rest des Abends den Schattenspieler Ida Bagus Made Geria hinter der mit einer Öllampe beleuchteten Leinwand seine Figuren lebendig werden. Abgesehen von einer einführenden Erklärung der Figuren, Geschichte und Konventionen wurde dem Publikum pures balinesisches Schattentheater geboten. Eine sehr strengen Ritualen folgende Kunst, in der die Helden aus den großen Hindu-Epen altjavanisch sprechen, eine Sprache, die auch in Bali kaum jemand versteht. Vier Diener, die das Geschehen immer begleiten und kommentieren, sprechen balinesisch und machen den Zuschauern die Handlung verständlich — in diesem Fall half das natürlich auch nicht viel weiter, aber dieser merkwürdige Kunstgriff zeigt, daß das Ritual wichtiger als die Verständlichkeit ist — so wie bei den katholischen Messen, die in Latein abgehalten werden. Aber auch wenn vieles unverständlich blieb, war die Vorstellung sehr lebendig und eindrucksvoll. Man konnte auch hinter der Leinwand dem Spiel des Dalang zusehen und erlebte dort einen energischen alten Mann, der trotz seiner vier Helfer, die ihm die Puppen zureichten oder die Begleitmusik auf Metallophonen spielten, alles alleine zu machen schien. Er wirbelte, wischte und zappelte mit den Figuren vor der Öllampe herum, die dann oft geheimnissvoll verzehrt auf der Leinwand erschienen. Er gab mit seiner mächtigen, sehr abwechselungsreichen Stimme jeder Figur eine eigene, klar zu erkennende Persöhnlichkeit, die das Publikum oft zum Lachen brachte. Die fremde Sprache klang so dargeboten wie Musik, und so war dies trotz aller Widrigkeiten doch noch ein gelungener Konzertabend. Willy Taub