: Mucker Mozart
■ Das Theater zum Film: Sigrid Andersson inszenierte Peter Shaffers „Amadeus“ am Goetheplatz
Foto:
2 Schauspieler
am Klavier
Unsereiner namens Salieri (Dirk Diekmann) und Mozart (Sven Walser) Foto: Jörg Landsberg
Gewaltig viele Hebebühnen hat, lieber Mozart, das Bremer Theater, und schnaufend fuhren sie auf und nieder, Vorhänge rauschten herab und Kulissen jagten einander, und immer noch konnte es gar nicht schnell genug gehen: Der unbewegte Beweger von allem warst nämlich leider nicht Du, sondern es war insgeheim der lichtgeschwinde Kinofilm, seit welchem wir Dich „Amadeus“ duzen.
In der Vorzeit, von 1979 an, feierte Peter Shaffers gleichnamiges Theaterstück in aller Welt Publikumserfolge, daß die Bühnenmaschinen nur so krachten — bis vier Jahre später Milos Forman des Weges kam und sich erbarmte und in dem mittelmäßigen Stück das wunderbare Drehbuch entdeckte. Und so fuhr der erlöste „Amadeus“ auf in den Himmel des Films. Daß jetzt, nach einigen anderen Theatern, auch das unsrige die sterbliche Hülle wieder auf die Bühne schleppt, liegt womöglich an dem Irrtum, es handele sich um einen sog. Selbstgänger.
Allein vor der Aufgabe, uns nach Tom Hulce nochmal einen leibhaftigen Mozart vorzumachen, ist frisch gewagt schon halb verlo
ren. Sigrun Andersson, die natürlich keinen fand, warf sich und die Maschinerie auf den szenischen Reichtum der Geschichte, den das Kino doch auch schon längst abgeräumt hat: Da erzählt Salieri, in allerlei Rückblenden, wie er Mozart zugrundegerichtet hat, und oft müssen wir argwöhnen, er sei vielleicht doch bloß ein Theaterdirektor, der hinter sich die durchaus noch leistungsfähigen Mittel seines Hauses vorführt.
Die aber sind tatsächlich beachtlich: Wenn Sie, und sei es zum Thema Genie und Mittelmaß, einen erfreulich bunten Abend verbringen wollen, dann gehen Sie ruhig hin. Man ist dort gut auf Trab und bietet Ihnen allseits solide Arbeit, und Langeweile ist ganz ausgeschlossen. Bloß den unvermeidlichen Gedanken an den Film hält die Inszenierung nicht aus; dazu ist sie ihm zu nah geblieben.
Die Premiere am Sonntag zum Beispiel zeigte als Amadeus einen wonneproppigen Sven Walser, man glaubte ihm gern den aberwitzigen Kindskopf, den genialen Musiker aber keinesfalls. Wo es darauf angekommen wäre, wo immer also dieses unbegreiflichste aller Genies gegen die ratlosen
Normalnullen rumpelte, damachte uns Walser in seiner Not bloß den verzweifelten Mucker weis: So müssen wir uns wirklich nicht den Mozart, sondern höchstens ungefähr einen Mark Knopfler auf Sponsorensuche vorstellen.
Dirk Diekmann dagegen zeigte an seinem Salieri, der, weil's zum großen Musiker nicht reichte, ein großer Hasser wurde, meist sehr genau die Verunstaltungen des Neidfraßes, wenn er auch die geradezu naheliegende maliziöse Schnute ein wenig überstrapazierte.
Beiden Figuren aber hätte eigentlich die höchste Konzentration gelten müssen. Beide hätten statt der aufgebotenen Überwältigungskulisserie einen Spielraum gebraucht, der sich jedes Äugeln mit dem Film verbittet, der dagegen die Eigenheiten des Theaters mobilisert: die tiefen Szenen, die sparsamen, aber schweren Zeichen, die unerschöpfliche Anwesenheit der Personen.
Wo der Film schon Schneisen in unsere Bilderwelt gebrannt hat, ist gerade mit seinen Mitteln nichts anderes mehr aufzuforsten. Wo, wie am Goetheplatz, seine Dramaturgie wenn auch heimlich herrscht, müssen eben auch die Bilder irgendwie voll werden: Da standen etwa im Hintergrund (Bühnenbild: Florian Parbs) mehrere Konzertflügel herum, eingewickelt in Goldpapier, und hielten derart wohl eine stumme Protestkundgebung gegen das Mozartbild des Gemeinen Konditormeisters ab.
Aber eigentlich, so ganz ohne Beziehung zu einem Theatergeschehen, sahen sie doch bloß nach Weihnachten aus; als hätte man sie uns, statt Nüssen, vergoldet. Manfred Dworschak
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