: Cannabis Helvetica
Eine völlige Umkehrung herkömmlicher Gesetzesauslegung vollzog das Oberste Schweizer Bundesgericht dieser Tage, als es bei einem Cannabis-Vergehen den Tatbestand des „schweren Falls“ zu bewerten hatte.
Da nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Forschung Cannabis nicht geeignet sei, „die körperliche und seelische Gesundheit vieler Menschen in eine naheliegende und ernsthafte Gefahr zu bringen“, wurde ein Obergerichtsurteil aufgehoben, in dem ein Acht-Kilogramm-Haschisch-Deal als „schwerer Fall“ eingestuft worden war. Damit widersprach das Hohe Gericht auch der Schweizer Gesetzgebung, nach der Haschisch seit einigen Jahren als „gefährlich“ eingestuft worden war. Diese Einschätzung sei heute nicht mehr haltbar, meinte das Gericht. Einerseits dürfe ein Richter zwar solch eine Substanz nicht aus dem Katalog der inkriminierten Betäubungsmittel herausstreichen, wenn sie sich als harmlos erweise, andererseits sei er jedoch verpflichtet, auf die wissenschaftliche Entwicklung und die Korrektur früherer Befunde Rücksicht zu nehmen. So gelte die Gefährlichkeit von Cannabis als Einstiegsdroge heute als eindeutig widerlegt.
Haschrauchen könne zwar zu typischen Raucherschäden führen, auch eine Gefahr der psychischen Abhängigkeit sei bei längerem Konsum vorhanden. Anders als Heroin und Alkohol sei Cannabis jedoch auch bei akuter Vergiftung nicht lebensgefährlich.
So spiele die Menge einer sanften Droge keine Rolle bei einer Urteilsfindung, da es sich bei sanften Drogen nie um einen „schweren Fall“ handeln könne, es sei denn, der Stoff würde von einer „Betäubungsmittelbande“ gehandelt.
So überraschend dieses Urteil des Bundesgerichtshofes für deutsche Leser klingen mag, ist es dies für die Schweiz nicht unbedingt. Seit Jahren treten dort unterschiedliche Aufklärungsgruppen auf, werden immer wieder Legalisierungskampagnen durchgeführt. So wird gerade eine große Umfrage für Langzeitkiffer vorbereitet, die von der Gruppe „Hanf und Fuß“ initiiert wurde und demnächst auch auf die BRD ausgeweitet wird. Mit dem Abriß der Schweizer Cannabisforschung Cannabis Helvetica hat jetzt der Solothurner Nachtschatten-Verlag ein seriöses Buch herausgegeben, in dem der Cannabisanbau gar als wirtschaftliche Lösung für die Probleme der arg gebeutelten Schweizer Bergbauern propagiert wird — denn Alpengras scheint so potent wie kalifornisches zu sein. Ronald Rippchen
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