: Polit-Thriller im Fernsehformat
Erlers „Die Kaltenbach Papiere“, So., 20.15 Uhr und Mo., 19.30 Uhr ■ Von Manfred Riepe
Staraufgebot und Politisch-Brisantes: Reiner Erler hat das Thema Rüstungsexport aufgegriffen und zu einem Fernsehfilm mit Mario Adorf, Ulrich Tukur und Gudrun Landgrebe verarbeitet. In seinem Zweiteiler Die Kaltenbach Papiere spielt der Ungarndeutsche Istvan Kaltenbach (Mario Adorf) einen gewieften Freibeuter, dessen miese Geschäfte den guten Ruf des „legitimen“ internationalen Waffenhandels erfolgreich schädigen.
Mit einer skandalhungrigen Enthüllungs-Story hat der 'Stern‘- Reporter Tom Sardowski (Ulrich Tukur) Kaltenbach als Monster entlarvt, das deutschen Firmen den Export von Pestizidfabriken ermöglichte, mit deren Hilfe das Giftgas hergestellt wurde, das der Irak gegen die Kurden einsetzen konnte. Da ihm nie jemand etwas nachweisen konnte, zeigt sich Kaltenbach unbeeindruckt von der Pressekampagne. Auf seinem Altersruhesitz in Portugal kreist seine einzige Sorge um das Wohl seiner Tochter Sharon (Simona Cavallari). Die Kamera von Wolfgang Grasshofer beobachtet die Nacktheit der ansehnlichen 20jährigen mit mehr als nur dokumentarischem Interesse.
Die Idylle auf dem beschaulichen Anwesen findet ihr Ende, als der BKA-Beamte Dr. Götz (Dietrich Mattausch) ein belastendes Dossier, die Kaltenbach Papiere, auf den Tisch legt, um den früheren Drahtzieher zu erpressen. Mit Hilfe eines fingierten Angebots soll der Waffenschieber a.D. Hintermänner entlarven, die Atomsprengköpfe an den Nahen Osten verkaufen. Kaltenbach sieht seine Chance in einer komplizierten Intrige und willigt ein.
Da sich inzwischen der oberschlaue Sardowski an seine Tochter herangemacht hat, ködert Kaltenbach den 'Stern‘-Reporter mit einer Story. Als naiver Strohmann soll Sardowski die Aufmerksamkeit des BKA von einem tatsächlichen Deal ablenken.
Bei dieser Gelegenheit will der skrupellose Waffenschieber ungestört ein lukratives Geschäft abwickeln, sich eines unliebsamen Mitwissers entledigen und dafür noch die ihn belastenden Kaltenbach Papiere in seinen Besitz bringen. Doch Kaltenbach macht die Rechnung ohne den Wirt, in diesem Fall Sardowskis progressive Ehefrau Eva (Gudrun Landgrebe).
Der Münchner Science-fiction- Autor Reiner Erler hat sich mit Filmen wie Das blaue Palais, Plutonium und Operation Ganimed den Ruf eines politisch und ökologisch ambitionierten Regisseurs erworben, der allerdings nie den Sprung ins Kino schaffte. Die Diskrepanz tritt deutlich in seinem Organspende- Thriller Fleisch (1979) zutage, der eben nur eine Fernsehversion zu Michael Crichtons zwei Jahre früher entstandenem Film Coma darstellt. Obgleich Erlers Polit-Thriller weit über dem Durchschnitt gängiger TV- Produktionen liegen, bleibt wegen ihrer Unausgewogenheit zwischen hochgeschraubtem Anspruch und filmischer Umsetzung am Ende ein Gefühl der Unbefriedigung zurück. Auch mit den Kaltenbach Papieren gibt Erler vor, polit-ökonomische Verstrickungen nahtlos mit Unterhaltungs-TV zu verklammern. Die ersten 20 Minuten, in denen ein mit Fakten gespickter Aufriß gegeben wird, wirken im Rückblick reichlich prätentiös. Der investigative Duktus verspielt sich rasch zugunsten einer im Stil von Allein gegen die Mafia gestrickten Thriller-Handlung. Statt die Verstrickung deutscher Firmen ins Irak-Geschäft hierzulande aufzurollen, glänzt der Film durch eskapistischen Wechsel exotischer Schauplätze. Die relativ einfallslose Inszenierung gibt Spitzenakteuren wie Mario Adorf wenig Raum zur Entfaltung.
Trotz handwerklicher Mängel treffen Erlers Filme zuweilen einen Nerv. So versuchte eine Hanauer Nuklearfirma Erlers vorangegangenen Atom-Thriller News — Eine Reise in eine strahlende Zukunft zu stoppen. Doch die Staatsanwaltschaft verbot nicht den Film, sie schloß diese Firma. Einer der Geschäftsführer hat sich erhängt, ein zweiter vor die S-Bahn geworfen, ein dritter ist erst kürzlich verurteilt worden. In den „Kaltenbach Papieren“ bezichtigt Erler das Bundeskriminalamt der dubiosen Zusammenarbeit mit einem erklärten Massenmörder. Ob deswegen in Wiesbaden Köpfe rollen werden, bleibt allerdings fraglich.
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