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Versuch eines sanften Umgangs mit der Geschichte

Der Münchner Künstler Rudolf Herz schlägt der Stadt Dresden vor, ihrem Lenin-Denkmal ein Ruhelager zu gönnen  ■ Von Reinhard Matz

Es hat doch etwas für sich, Denkmäler in massivem Granit auszuführen. Sie haben ein großes Beharrungsvermögen. Gegen Wetter, gegen spontane Angriffe und selbst gegen die Wechsel fälle der Geschichte, welche zuweilen ihre planmäßige Beseitigung wünscht.

Dies mußten jetzt die Dresdner erfahren, die allzugern und so schnell wie möglich ihr Lenin-Denkmal auf dem Bahnhofsvorplatz loswerden wollen. Vier Vorschläge hatten die Stadtverordneten zu diskutieren:

1.Demontage und Deponierung an anderem Ort. Doch 120 Tonnen Granit sind nicht an einem Vormittag zerlegt und abtransportiert. Das kostet Geld. Viel Geld: 250.000 Mark. Zuviel in unsicheren Zeiten.

2.Abriß und Zerstörung. Selbst das, rechnet die gewissenhafte Verwaltung vor, kostet noch runde 80.000 Mark. So viel wie fünf Spielplätze, halten SPD und Alternative Fraktion dagegen.

3.Freigabe zur künstlerischen Verfremdung im Sinne einer Geschichtsbewältigung vor Ort; dies der Vorschlag des Ausschusses für Kultur und Tourismus. Keine Mehrheit.

4. und mehrheitsfähig: Ausschreibung unter der Bedingung, den Koloß ohne Kosten für die Stadt hinwegzuschaffen.

So wird geschichtsträchtige Kunst und kollektive Erinnerung dem Privatrecht unterstellt. Das Lenin- Denkmal ist damit vogelfrei. Der Erstbeste kann es sich als mutierten Gartenzwerg vor sein Eigenheim stellen oder auch in Form von Steinplatten recyceln. Wenn Hunderttausende für Mauerreste ausgegeben werden, warum nicht eine viertel Million für ein veritables Denkmal?

Der Münchner Künstler Rudolf Herz plädiert für einen sanfteren Umgang mit der Geschichte und ihren Zeugnissen. Herz beschäftigt sich mit politischer Ikonographie: der Erstarrung von Politik in Bildern der Erinnerung, welche er durch Veränderung des Orts und des Zusammenhangs zu verflüssigen sucht: Schauplatz hieß eine Installation unter der Münchner Maximilianstraße, wo er eine Großvergrößerung der Schlußeinstellung von Panzerkreuzer Potemkin hinter starre, rote Säulen montierte. „Juden in aller Welt, bitte kehrt zurück, wenn Ihr wollt“ hing er zusammen mit Thomas Lehnerer als kleines Emailleschild an die Feldherrenhalle, wo Hitler jährlich die „Märtyrer“ des Novemberputsches feierte.

Lenins Lager nennt Rudolf nun seinen Entwurf einer Skulptur für Dresden. Sie soll just aus den Steinquadern bestehen, die bisher zur ungeliebten Lenin-Statue zusammengesetzt waren. Die roten Granitquader werden demontiert und auf engem Raum zu einem lockeren skulpturalen Arrangement ausgelegt, aber nicht weiter gestalterisch bearbeitet. Die Anordnung könnte an ein Museumsdepot oder ein archäologisches Trümmerfeld erinnern: ein Aggregatzustand zwischen Abbau und musealer Rekonstruktion. Es ist ein Schweben zwischen Zerlegung, Zerstörung und Zerfall, zwischen Verwahrung und Entropie. „,Lenins Lager‘“, formuliert Herz seine Konzeption präzise, „zielt darauf, den Bildersturm öffentlich und dauerhaft vor Augen zu führen, und bewahrt zugleich das Denkmal vor seiner endgültigen Vernichtung.“

Wo Lenins Denkmal zur Ruhe kommen darf, ist im Rahmen der bisherigen Konzeption nicht entscheidend. Wegen der lokalen Tradition sollte es nur möglichst in Dresden sein.

Bleibt das finanzielle Problem. Gesucht wird ein Sponsor, ein Kapitalist mithin, der seinem erfolgreichsten Gegner die Ehre erweist, als zerstückeltes Monument erhalten zu bleiben. Sanfter ist der Umgang mit Zeugnissen des Sozialismus zur Zeit offenbar nicht zu pflegen.

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