: WEGE DURCH DEN MEDIENDSCHUNGEL Von Ben Vart
Auch sechs Wochen nach dem vorzeitigen Ableben eines Schlagerfuzzis haben die Heile-Welt-Gazetten, auch solche, die nicht „Heile Welt“, sondern beispielsweise Frau mit Herz heißen, noch immer kein neues Thema gefunden. Also muß, obwohl sich die Würmer schon längst an dem Leichnam verlustieren, noch einmal Roy Blacks Künstlername zur Auflagenstabilisierung herhalten, müssen die Angestellten im Fotoarchiv erneut in dem schon seit Wochen zerfledderten Ordner die letzten nichtgedruckten Motive raussuchen für die neue Titelstory: „Roy Black aus dem Jenseits: Bitte, weint nicht mehr um mich!“ In Breitengraden, in denen sich Otto und Wilhelmine Normalbürger keinesfalls damit abfinden können, daß im Anschluß an ein langweiliges irdisches Dasein einfach nichts mehr kommen soll, fällt die frohe Botschaft von einem Leben nach dem Tod naturgemäß auf fruchtbaren Boden, und so freut sich jederfrau mit Doppelherz über die frohe Kunde des Exklusiv-Berichts („Parapsychologin Elisabeth Kroll- Hermkes setzte sich mit dem vor sechs Wochen verstorbenen Sänger und Schauspieler in Verbindung“), nämlich daß mit dem Exitus doch noch nicht alles vorbei sein muß: „Der Raum, in dem wir sitzen, ist im Dämmerlicht.“ Klingt, als hätte man diesen Exklusiv-Bericht die Sekretärin schreiben lassen. „Die Zeiger der alten Standuhr...“ — die Sekretärin guckt gerne schlechte Gespensterfilme — „...stehen auf halb sechs abends.“ So eine Zeigerstellung möchte ich gern mal sehen — es war wohl doch nur die Dreiwochen- Praktikantin. „Die Hellseherin nimmt ein Tonbandgerät, schaltet auf Empfang... Ein weit entferntes Rauschen ist zu hören, dann ein Hauchen: ,Ja — ich bin es.‘“ Der Eingeweihte weiß sofort: Roy ist jetzt auf Empfang: „Nathalie, kleine Nathalie... ich bin bei dir... nicht weinen... viel Liebe... keine Tränen... nie allein...“ Jetzt weiß jeder, daß er Freund Hein, falls er denn anklopft, am besten gleich wieder wegschicken sollte — das Sterben scheint sich mächtig negativ aufs Sprachzentrum auszuwirken. Andererseits: Wer schon zu Lebzeiten Stuß stammelte, wird auch aus dem Jenseits nur Gelalle von sich geben.
Da ist die Konkurrenz von Bildwoche näher am Leben und fragt: „Wie weit darf sich der Chef ins Privatleben einmischen?“ Schnell kommt man zum Wesentlichen: „Einmischung ins Privatleben ist manchmal auch bei der Einstellung erlaubt. Die Frage ,Sind Sie schwanger?‘ darf nur gestellt werden, wenn sich Frauen für den Job bewerben.“ Geschenkt, gehirnschwangere Männer stellen sich eh nur bei 'Bildwoche‘ vor.
Die gemeinsten Fragen in der Branche stellt Sport Bild: „Herr Röhrl, warum interessiert sich kein Mensch mehr für die Rallye-WM?“ Der viermalige Monte-Carlo-Sieger versteht die Motor-Welt nicht mehr — und auch nicht, warum die deutschen Autofirmen alles den Japsen, Itakern und Tommies überlassen. „Denn die Deutschen verpassen damit die tollste Möglichkeit, Motorsport zu betreiben — nämlich Toprennen auf normalen Straßen und die damit verbundene Erziehung“, röhrt Röhrl. Erziehung? Zum Kinder-Totfahren — bei den tagtäglichen Toprennen auf normalen Straßen.
Steinbach erleichtert: Die CSU am Wochenende ganz ohne Überraschung: gegen Abtreibung und gegen Tempolimit. Damit's weiterhin Nachschub für den Kindertod auf Deutschlands Straßen gibt.
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