: Einsturzbedrohtes Eisstadion
Nach mageren Wochen bissen Kölns Haie mal wieder richtig zu ■ Aus Köln Thomas Lötz
Das Kölner Eisstadion an der Lentstraße hat schon bessere Tage gesehen. Ehemals war es ein stattliches Bauwerk, heute blättert draußen bereits die Hallenfassade ab. Da wäre eigentlich Renovierung angesagt, doch die dafür mitverantwortliche Stadt entschied sich vor einiger Zeit, den alten Kasten in aller Stille weiter vor sich hinfaulen zu lassen.
Hauptnutzer der Halle, das sind die Haie, die Eishockeyprofis des Kölner EC, die gleichfalls schon bessere Zeiten gesehen haben. In der laufenden Saison verhielt sich die Heimstärke der Kölschen Puckjäger zum Austragungsort wie Honecker zu Deutschland: Fern der Heimat lebt es sich gesünder. Die Hälfte der an der Lentstraße vergebenen Punkte sackten die Gästeteams ein, während die an die Sonne des Erfolgs gewöhnten Haie hilflos torkelnd über das Eis schnappten. Fünfzehn Zähler Rückstand auf den ersten der Tabelle und schwindende Zuschauerzahlen, das war in Köln schon lange nicht mehr Realität gewesen.
Und ausgerechnet da kam die beste Auswärtsmannschaft der Liga, der Tabellenführer höchstselbst. Aber wenn der DEG heißt und aus Düsseldorf kommt, pflegt man in Köln auch letzte Kräfte mobil zu machen. So war das Stadion bereits eine Stunde vor dem Anpfiff voll bis unter die Decke, das Kölsch floß in Strömen, und ständig wurden die Landeshauptstädter ob ihres vermaledeiten Altbierkonsums verbal gegeißelt.
Als beide Teams zu dröhnendem Heavy-Metal, Kuhglockenschall und Schreierei aufs Eis liefen, wackelte der alte Kasten an der Lentstraße bereits aufs Bedenklichste. Und als nach 2.45 Minuten der erste Sturm der Haie in der Person von Uli Liebsch erbarmungslos zuschlug, hatte der Betrachter den Eindruck, daß Kalk von der Decke rieselte. Fünfzehn Minuten später hielt ich präventiv die Hände über den Kopf, schob meine Schulterblätter hoch, als ich sah, wie Jozef Stümpl den Schläger zum Puck führte und das Tor gar nicht mehr verfehlen konnte. Erneut schwankten sämtliche tragenden Bauteile des Stadions, aber einstürzen wollte das Ganze offensichtlich angesichts der 2:0-Führung des KEC nicht.
Bis zum Beginn des dritten Drittels hatte die Dramatik des Spiels und meine Furcht vor herabdonnerenden Dachträgern und Hallenlampen Ruhe. Aber dann ging es wieder los. Die DEG, die zwischenzeitlich den Anschlußtreffer erzielt hatte, bestürmte endlos das Tor der Haie, der KEC konterte nur noch. Erneut erreichte der Geräuschpegel bedrohliche Ausmaße. Die etwa 1.000 DEG- Fans wollten nun den Ausgleich herbeibrüllen, während die Anhänger der Haie mit ihrem Geschrei jenen zu verhindern suchten.
Daß dieser Artikel heute erscheinen kann, läßt darauf schließen, daß ich den Besuch dieses Spiels schadlos überstanden habe. Zu verdanken ist dies in erster Linie einem überragenden Haie-Goalie Pepi Heiß, der die Pucks der Hegens und Trunschkas fing, wie der Schneider die Fliegen. Ein letztes Mal mußte noch gezittert werden, als beim Ertönen des Schlußpfiffs die marode Bausubstanz infolge des Kölner Siegesjubels an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht wurde. Aber der alte Kasten hielt auch dieser Prüfung stand.
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